Swiss Telecommunication Summit 2024

Ein Versprechen, ein Award und zu viele Kissen

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von René Jaun und jor

Seit 50 Jahren setzt sich der Asut für die Schweizer Telko-Branche ein. Am Swiss Telecommunication Summit 2024 kamen aktuelle Anliegen zur Sprache. Dazu gehören geregelte Massnahmen bei Stromknappheit, der Kampf gegen 5G-Skepsis oder der Wunsch nach mehr Digitalkompetenzen.

Peter Grütter, Präsident des Schweizerischen Verbands der Telekommunikation (Asut), am Swiss Telecommunication Summit 2024. (Source: zVg)
Peter Grütter, Präsident des Schweizerischen Verbands der Telekommunikation (Asut), am Swiss Telecommunication Summit 2024. (Source: zVg)

Wir müssen reden! Dieser Satz – auch wenn ihn kaum jemand direkt aussprach – war im Verlauf des diesjährigen Swiss Telecommunication Summit immer wieder herauszuhören. Durchgeführt wurde die Fachtagung vom Asut, dem Schweizerischen Verband für die Telekommunikationsbranche. Etwa 500 Personen besuchten den Event im Berner Kursaal.

Der Runde Tisch von morgen

Zu Beginn der Veranstaltung hob Asut-Präsident Peter Grütter die Wichtigkeit einer funktionierenden Telekommunikationsinfrastruktur hervor. Er erinnerte an geopolitische Konflikte und an die Gefahr, "dass Kontinente eher auseinanderdriften als aufeinander zu". Telekommunikation sei das alles verbindende Element. "Ich hoffe, dass wir zusammenwachsen auf einer robusten, fundamentalen vernetzten Infrastruktur."

Als Bundesrat Albert Rösti, seit Ende 2022 Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), erstmals vor einem Computer sass, war er Student an der ETH Zürich. "Es war ein Gerät mit Framework, und ich wagte nicht, es auszuschalten, aus Angst, etwas kaputt zu machen", erinnerte sich der Kommunikationsminister in seiner Rede. Damals, in den frühen 90er-Jahren, "wurde mit dem Internetbrowser Netscape-Navigator das Tor zum Internet aufgestossen". Heute sei ein Alltag ohne Internet unvorstellbar und dieser Fortschritt sei auch der Telekommunikationsbranche zu verdanken, erklärte Rösti.

Ein Foto von Bundesrat Albert Rösti auf der Bühne des Asut.

Bundesrat Albert Rösti, Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). (Source: zVg)

Hinsichtlich der Telekommunikationsgrundversorgung sei die Schweiz unschlagbar, lobte der Bundesrat weiter. "Seit Anfang dieses Jahres gilt ja 80 Megabit pro Sekunde als Grundversorgungsstand. Es gibt kein anderes Land, welches eine vergleichbare Grundversorgung kennt." Dagegen sei die Schweiz in puncto Glasfaser "noch nicht dort, wo wir sein sollten". Um die Versorgungslücken in ländlichen Gebieten zu schliessen – entweder per Glasfaser oder Funk – will der Bund selber an die 750 Millionen Franken investieren. Die Vernehmlassung dazu soll Ende 2024 starten. "Ich bitte Sie aber, bei Ihren Bemühungen des Netzausbaus nicht nachzulassen", redete Rösti den Anwesenden zu.

Bereits abgeschlossen ist die Vernehmlassung zu Massnahmen, die die Telekommunikationsbranche bei einem längeren Stromausfall treffen müsste. Unter anderem wollte der Bund Mobilfunknetzbetreiber zum Aufbau grösserer Notstromanlagen verpflichten. In der Telko-Branche kamen die Vorschläge nicht gut an. "Ich kann das nachvollziehen", räumte Rösti ein und signalisierte Kommunikationsbereitschaft. Im Kursaal Bern versprach er, sich mit den von den Massnahmen betroffenen Parteien an einen Runden Tisch zu setzen, um ihre Ansprüche und Umsetzungsmöglichkeiten besser in Übereinstimmung zu bringen "und kreative und möglichst technologieoffene Lösungen erarbeiten zu können". Gemeinsam werde man eine gute Lösung finden, gab sich Rösti überzeugt.

Technologietrends von heute

In seiner Rede sprach der Bundesrat auch das Thema künstliche Intelligenz an. Man arbeite aktuell an einer Auslegeordnung, sagte er. Darauf aufbauend wolle man einen "Grundsatzentscheid zum zukünftigen schweizerischen Regulierungsansatz im Bereich KI" fällen. Von Konferenzmoderator Reto Brennwald gefragt, ob er selber ChatGPT nutze, erklärte Rösti, das Tool werde von seinen Mitarbeitenden eingesetzt. Bei einem Selbstversuch habe ChatGPT nicht sagen können, wer Albert Rösti sei, fügte er hinzu.

Im Verlauf des Tages griff Tibor Mérey das Thema KI auf. Der Managing Director und Partner der Boston Consulting Group (BCG) Schweiz teilte ein paar Erfahrungen seines Unternehmens mit KI-Projekten. Die "heissen Cases" spielten sich demnach in den Bereichen Kundeninteraktion, Kundenservice oder Marketing ab. "Wir können viele Schritte abkürzen, für die man lange Zeit Data Scientists benötigte", erklärte er. Als praktisches Beispiel zeigte er eine Plattform, die in Windeseile die Unterlagen für eine Ausschreibung zusammenstellte. Der Erfolg von KI-Projekten hänge zu 10 Prozent von den gewählten Algorithmen und zu 20 Prozent von den eingesetzten Clouds Soft- und Hardware ab. Mit 70 Prozent seien Mitarbeitende und Prozesse der wichtigste Erfolgsfaktor – "um Leute mitzunehmen und den Change umzusetzen". Den Anwesenden gab er fünf Ratschläge auf den Weg:

  1. Lernen Sie durch Ausprobieren. Was heute noch nicht funktioniert, könnte bald funktionieren.

  2. Identifizieren Sie die Early Adopters in Ihrem Unternehmen – Tipp: Sie sitzen nicht unbedingt in der IT-Abteilung.

  3. Implementieren Sie erste Use Cases – "erste Perlen" – um zu zeigen, was möglich ist. Machen Sie weiter und bilden Sie eine Perlenkette, um den Wert zu skalieren.

  4. Identifizieren Sie den Wert und nötige Investitionen, um nicht von Konzernen abgehängt zu werden.

  5. Seien Sie mutig, seien Sie schnell. Wägen Sie das Risiko, etwa zu tun, jeweils ab gegen das Risiko, was passieren könnte, wenn Sie nichts tun.

Ein Foto von Tibor Mérey von der Boston Consulting Group.

Tibor Mérey, Managing Director und Partner der Boston Consulting Group (BCG) Schweiz. (Source: zVg)

Die Forschung von Jahrzehnten

An den meisten Asut-Seminaren stehen neue Technologien und Trends im Fokus. Am diesjährigen Telecommunication Summit war aber auch Zeit für einen Blick zurück – und dies mit gutem Grund: Der Asut feiert 2024 nämlich sein 50-jähriges Bestehen. Dies würdigte Fritz Suter, Urgestein der hiesigen ICT-Branche, ehemaliger Asut-Präsident und Initiator der legendären ICT-Networking-Party. Er sei 2003 Präsident geworden und zwar "eher zufällig, weil sich sonst niemand dafür interessierte", erinnerte er sich in seiner Ansprache. Schon ein paar Jahre davor habe der Asut erfolgreich gegen eine vom Bundesrat geplante Änderung sämtlicher Schweizer Telefonnummern interveniert. Wäre die Umstellung wie geplant erfolgt, hätte dies die Wirtschaft eine Milliarde Franken gekostet, sagte der 83-jährige. Suter erinnerte sich auch an einen Auftritt des damaligen Bundesrates Christoph Blocher, der 2006 an einer Asut-Veranstaltung die baldige Privatisierung der Swisscom angekündigt hatte. Tatsächlich hält der Bund auch heute noch die Mehrheit des Telkos, auch wenn anders lautende Forderungen zu hören sind.

Der Asut sei 1974 als Gegenpol zur staatlichen PTT gegründet worden. Heute zähle der Verband über 400 Mitgliederorganisationen und sei eine wichtige Stimme, würdigte Suter. Zu ihnen gehört übrigens auch die aus der PTT hervorgegangene Swisscom.

Peter Grütter und Fritz Suter auf der Bühne.

Peter Grütter ehrt den ehemaligen Asut-Präsidenten Fritz Suter. (Source: zVg) 

Das Jubiläum nutzte der Asut auch, um seinen zweiten Swiss Telecommunication Award zu vergeben. Der Verband ehrte Gregor Dürrenberger, Gründer und ehemaliger Leiter der Forschungsstiftung Strom und Mobilkommunikation. Sie ist an der ETH angesiedelt, wird aber auch aus der Telekommunikationsbranche getragen, wie Asut-Präsident Peter Grütter anmerkte. Die Stiftung erforscht unter anderem Gefahren in Zusammenhang mit Mobilfunkstrahlung. Dass dieses Thema wichtig sei, habe Dürrenberger schon früh erkannt. Er und die Stiftung hätten viel zur Versachlichung der Diskussion um dieses Thema beigetragen; und nie seien sie dabei in Skandale verwickelt oder durch den Dreck gezogen worden, würdigte Grütter.

Dürrenberger selber reichte den Dank an die für die Stiftung arbeitenden Forschenden weiter. Sie versuchten seit Jahrzehnten, Gesundheitsrisiken der Mobilfunkstrahlung nachzuweisen. Trotz ausgeklügelter Verfahren sei ihnen dies bislang nicht gelungen. Somit sei der Award auch "eine weltweite Auszeichnung für wissenschaftliche Erfolglosigkeit", fügte er schmunzelnd hinzu. Gleichzeitig sei die Arbeit der Stiftung ein Erfolg auf gesundheitspolitischer Ebene.

Den ersten Swiss Telecommunication Award erhielt 2017 übrigens Marc furrer für sein Lebenswerk, wie Sie hier lesen können.

Die Handarbeit von gestern

Dass die Mobilfunkstrahlen auch künftig für Diskussionen sorgen dürften, davon scheint man in der Branche überzeugt. Grütter verglich dies mit einer "Seeschlange, die alle paar Jahre hochkommt – spätestens wieder beim Thema 6G", während Dürrenberger von den "religiös beseelten Mobilfunkgegnern" sprach, die die Tatsache der nicht etablierten Effekte nicht wahrhaben wollten.

Eine andere Sicht vertrat Bundersrat Rösti: "Ich glaube, wir sind ein wenig forsch vorgegangen", sagte er, als ihn Brennwald auf die anhaltende Technologieskepsis ansprach. Man habe den Leuten zu wenig erklärt, dass 5G-Technologie die Strahlung eher senke. Er plädierte für bessere Kommunikation. "Als Bund haben wir einen klaren Auftrag, zu sagen: Mit der besseren Technologie verringern sich die Risiken."

Grünen-Politikerin Aline Trede empfahl im Verlauf der Schlussdiskussion, nicht nur zu reden, sondern auch zuzuhören: "Eine Beschwerde kommt immer, wenn Angst oder Ungewissheit da ist oder das Gefühl, dass ein Gesetz nicht eingehalten wird", erklärte die Politikerin. Es gelte darum, vor der Verabschiedung eines Gesetzes diese Ängste ernst zu nehmen und darauf zu reagieren.

Doch Digitalthemen würden im Parlament überhaupt zu wenig besprochen, erklärte Trede weiter: "Wir diskutieren im Parlament vielleicht 400 Mal über den Wolf und zweimal über 5G", verdeutlichte sie. Sunrise-CEO André Krause wiederum fand, er vermisse im schweizerischen Föderalismus den "klaren politischen Push". Folglich würden viele Schritte zu zögerlich begangen.

Einig waren sich die Teilnehmenden auch bezüglich einem entschlossenen Blick nach Vorne in der Schulbildung: Christian Martin, Präsident der Kommunikationskommission (Comcom) und Softwareunternehmer, erzählte, sein Sohn in der 6. Klasse habe bisher etwa 10 selbstgemachte Kissen aus der Schule nach Hause gebracht, aber noch keine einzige Codezeile geschrieben. Mehrere Teilnehmende pflichteten ihm bei: Handarbeit sei zwar wichtig, doch es gebe tendenziell zu viele Kissen und zu wenig Digitalkompetenz im Unterricht. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass künftig viele Aufgaben durch künstliche Intelligenz übernommen würden: "Die Grundsatzausbildung, dass man weiss, was die Maschine kann, ist noch immer wichtig", brachte dies André Krause auf den Punkt.

Im Mai 2024 fand die 50. Generalversammlung des Asut statt. Der Verband wählte dabei drei neue Vorstandsmitglieder. Wer sie sind, erfahren Sie hier.

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