Verschobenes UKW-Aus: Das sind die Vor- und Nachteile von DAB+
Eigentlich steht bereits seit Ende 2019 fest, dass das Schweizer UKW-Radionetz Anfang 2023 abgeschaltet wird. Ab dann sollte es Radio nur noch über DAB+ oder Internetradio geben. Doch prominente Stimmen haben nun eine Verschiebung des UKW-Aus auf 2024 erwirkt. Die Abschaltung hat Vor- und Nachteile.
Um das geht's
In der Schweiz sollten Radiostationen ihre Inhalte ursprünglich ab Januar 2023 nur noch über DAB+ oder Internetradio übertragen. Die ältere Technologie UKW würde damit komplett ersetzt. Im Herbst 2019 nutzten erstmals mehr Schweizer Radiohörerinnen und Radiohörer DAB+ als UKW.
Ende 2020 stimmten der Verband Schweizer Privatradios (VSP), die Union Romande des Radios Régionales (RRR) und die Union nicht-gewinnorientierter Lokalradios (Unikom) der UKW-Abschaltung bis Anfang 2023 zu. Die SRG wollte bereits im August 2022 umsteigen. Doch nun ist das Datum für die Abschaltung auf Ende 2024 verlegt worden.
Das ist die aktuelle Situation
Der Grund für die Verschiebung liegt darin, dass sich Widerstand gegen den Entscheid zur Abschaltung des UKW-Netzes geregt hat - auch von prominenter Seite. Bereits im Juni 2021 äusserte sich die ehemalige Bundesrätin Doris Leuthard kritisch gegenüber der UKW-Abschaltung - oder zumindest gegenüber dem Zeitplan. Zwar hatte sie in der Vergangenheit massgeblich zum Entscheid für die UKW-Abschaltung beigetragen. Doch hat sich DAB+ weniger schnell etabliert, als sie angenommen hatte, wie sie gegenüber "Radio 1" sagte.
Ex-Bundesrätin Doris Leuthard kritisiert den Zeitplan zur UKW-Abschaltung. (Source: Padawan27 / commons.wikimedia.org. Lizenz: Creative Commons Attributions-Share Alike 4.0)
Gemäss Leuthard habe erst die Hälfte der Autos in der Schweiz ein DAB+- oder Internetradio verbaut. Zudem seien die Nachbarstaaten noch nicht so weit. "Es muss für Autos möglich sein, mit Radioempfang von Norddeutschland bis nach Süditalien zu fahren und so lange würde ich UKW noch laufen lassen", sagte die Ex-Bundesrätin. Gemäss "Tagesanzeiger" (Paywall) wollten die DAB+-Befürworter, darunter der VSP-Präsident, aber am Zeitplan zur Abschaltung festhalten.
Auch Medienunternehmer Roger Schawinski sprach sich gegen die UKW-Abschaltung aus. Im Juli 2021 legte er eine Onlinepetition mit 60'000 Unterschriften gegen das UKW-Aus vor, wie etwa "Swissinfo" schreibt. Da ausserdem die französischsprachige Schweiz gegen die Abschaltung ist und die Marktzahlen darauf hindeuten, dass vor allem Autofahrende mehr Zeit für die Umstellung brauchen, einigten sich die Schweizer Radios nun auf eine Verschiebung der Abschaltung auf Ende 2024. Gemäss "Zackbum" reicht das Schawinski aber noch nicht - er sieht noch einen jahrelangen Bedarf am UKW-Netz. Wie der "Blick" schreibt, ist das verspätete UKW-Aus für die Radioveranstalter mit Kosten in mehrstelliger Millionenhöhe verbunden.
Das sind die Vorteile einer kompletten Umstellung auf DAB+
Für eine Abschaltung der UKW-Sender sprechen verschiedene Gründe. Für die Radiobranche lohnt es sich gemäss "SRF", weil sie nicht mehr zwei parallele Sendernetze aufrechterhalten muss. Dieser Punkt wiegt besonders schwer, da die Nutzung von UKW stetig zurückgeht.
Laut "SRG" bedeutet die Abschaltung des UKW-Netzes ausserdem weniger Umweltbelastung, da nur noch Energie für den Betrieb eines Netzes anstatt für zwei aufgewendet werden muss. Dazu würde auch der zusätzliche Energieaufwand etwa bei Erneuerung und Unterhalt von Antennen wegfallen. Ausserdem verursache DAB+ deutlich weniger Elektrosmog, weil das entsprechende Netz fünfmal weniger strahle als das UKW-Netz bei gleicher Versorgung.
Gemäss "SRG" bringt DAB+ für die Hörerinnen und Hörer "störungsfreien Empfang in der ganzen Schweiz, kein Rauschen mehr wie bei UKW". Weiter gäbe es ein grosses und überregional empfangbares Angebot. Im Gegensatz zu UKW seien pro Frequenz mehrere Programme empfangbar und die Sendersuche laufe automatisch anstatt manuell. Ausserdem seien bei DAB+ kostenfreie Zusatzinformationen wie Text und Programmlogos enthalten.
Das sind die Nachteile einer kompletten Umstellung auf DAB+
Eine Abschaltung des UKW-Netzes hat auch Nachteile. So ist ein kompletter Verzicht auf UKW-fähige Endgeräte trotz Umstellung nicht ratsam für die Schweizer Bevölkerung. Der Grund dafür liegt beim Bund: Im Katastrophenfall will das Bundesamt für Bevölkerungsschutz die Schweizerinnen und Schweizer noch immer über das Radio respektive das UKW-Notsendernetz informieren. Doch haben glücklicherweise viele Smartphones heutzutage auch UKW-Empfänger verbaut und es gibt Radiogeräte, die ausser DAB+ auch UKW empfangen können.
Weitere Nachteile hat Doris Leuthard erwähnt: Noch haben viele Autos nur UKW-Radios verbaut und die Nachbarländer setzen nach wie vor auf UKW. Eine Durchfahrt von Deutschland nach Italien könnte zu einem Unterbruch des Radiosignals in der Schweiz führen. Doch hatten gemäss "SRF" bereits Mitte 2019 neun von zehn Neuwagen DAB+ verbaut. Ausserdem gibt es heute durchaus Möglichkeiten, das alte UKW-Autoradio mit DAB+ kompatibel zu machen. Ein Beispiel dafür gibt es in diesem Hands-on.
Geräte wie das PTEC A1 machen das Autoradio DAB+-kompatibel und haben je nachdem noch weitere nützliche Eigenschaften. (Source: Screenshot Netzmedien)
Schliesslich besteht bei gewissen Radiosendern die Sorge, bei einem zu raschen Umstellen Hörer und Hörerinnen zu verlieren. DAB+ braucht Empfangsgeräte, die andere Eigenschaften haben als bisherige UKW-Radios. Teilweise werden also Neuanschaffungen notwendig sein. Gemäss "SRF" stellte in Europa bisher nur ein Land UKW ab: Norwegen Ende 2017. Die Radionutzung ging in der Folge vorübergehend deutlich zurück, befand sich aber Mitte 2019 wieder auf dem Niveau von vor der Abschaltung.
Das unterscheidet DAB+ von DAB und UKW
DAB+ steht für "Digital Audio Broadcasting". Gemäss "Deutschlandradio" werden die Audiosignale über Antennen digital verbreitet. Im Gegensatz dazu verbreitet UKW (Ultrakurzwelle) die Signale analog. DAB+ erlaube zudem das Mitschicken von mehr programmbegleitenden Zusatzinformationen.
DAB+ ist eine Weiterentwicklung von DAB und optimiere die digitale Audiokomprimierung. Dabei hilft gemäss "Wikipedia" ein ergänzendes Kodierungsverfahren. Das Plus in der Bezeichnung "DAB+" sei eine rein marketingtechnische Ergänzung. Sie soll helfen zu unterscheiden, welche Empfangsgeräte den entsprechenden Decoder haben, um die zusätzliche Kodierung von DAB+ zu entschlüsseln.
Diese zusätzliche Kodierung (HE-AAC v2) helfe dabei, die Audioqualität von DAB+ bei einer geringeren Bitrate stabil zu halten. Bei Tests wurde laut "Wikipedia" positiv vermerkt, dass die Audioausgabe auch bei sehr niedrigem Pegel des Empfangssignals nicht gestört wurde.