Trendwende im Schweizer Detailhandel
Der Schweizer Detailhandel hat auch im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang verzeichnet. Doch für dieses Jahr prognostizieren die Analysten von GfK Switzerland ein Ende des Rückgangs. An der 7. GfK-Handelstagung erfuhren die Teilnehmer die Trends im Schweizer Detailhandel.
Am vergangenen Dienstag hat sich der Schweizer Detailhandel in den Arena Cinemas in Zürich getroffen. Im Kinosaal erfuhren die rund 250 Teilnehmer der 7. GfK-Handelstagung die Trends im Detailhandel. Thomas Hochreutener von GfK Switzerland präsentierte zum letzten Mal Zahlen aus der 28. Ausgabe der Dokumentation "Detailhandel Schweiz". Nächsten August verabschiedet sich der "Detailhandels-Papst" nach fast 40 Jahren bei GfK in den Ruhestand.
Die Detailhandelsbranche ist weiter im Umbruch. Hochreutener verwies auf die Besitzerwechsel bei Toys’r’Us und Office World, den Markteintritt von XXXLutz, die neue Mall of Switzerland und das starke Wachstum von Amazon. Auch entstünden neue Märkte etwa für CBD-Hanf oder Insektenfood.
Leichtes Wachstum möglich
Die Umsätze im Schweizer Detailhandel sanken 2017 mit minus 0,9 Prozent weniger stark als in den beiden Vorjahren und betrugen noch 91,5 Milliarden Franken. Laut Hochreutener war der Markt für Güter des täglichen Bedarfs (Food & Near-Food) erstmals rückläufig, dafür stabilisierte sich im vergangenen Jahr das Non-Food-Geschäft. Von Januar bis Mai 2018 kehrte dieser Trend. Der gesamte Detailhandel legte um 0,7 Prozent zu, während der Umsatz im Non-Food-Bereich um 0,6 Prozent abnahm. Laut Hochreutener leidet vor allem der Fashion-Markt. Nichtsdestotrotz erwartet er für dieses Jahr ein Ende des Rückgangs. Möglich sei sogar leichtes Wachstum im Schweizer Detailhandel.
Die Einkäufe im Ausland beschäftigten den Handel weiterhin, seien aber nicht mehr so stark wie früher. Der gezielte Einkauf im benachbarten Ausland habe leicht auf 4,3 Milliarden Franken abgenommen und betreffe hauptsächlich den Lebensmittelhandel. Dafür stieg der Cross-Border-Onlineeinkauf auf 1,3 Milliarden an.
Digitec Galaxus als grösster Gewinner
Der Schweizer Detailhandel ist laut Hochreutener weiterhin geprägt durch Rabattschlachten. Von den Top 10 unter den Detailhändlern wies Digitec Galaxus das grösste Wachstum auf (+18,5 Prozent). Minus verzeichneten nur Migros und Ikea. Die Gewinner sind wie im vergangenen Jahr die Discounter und der Onlinehandel. Von Januar bis Mai habe der Schweizer Onlinehandel den Umsatz um 9 Prozent gesteigert. Ist der Onlineanteil bei Lebensmitteln mit 2,3 Prozent noch gering, stieg er in der Multimedia-Branche innerhalb von 10 Jahren von 7 auf 31 Prozent und nimmt weiter zu. Hochreutener geht davon aus, dass der Anteil in zwei Jahren bei 38 Prozent liegt.
Der GfK-Analyst bemerkte aber, dass trotz Wachstum im Onlinehandel der Anteil am gesamten Detailhandel erst bei 8 Prozent liege. Die rund 200 Shopping-Center in der Schweiz würden beispielsweise einen Fünftel des gesamten Detailhandels ausmachen. Den Shopping-Centern ging es im vergangenen Jahr mit 1,1 Prozent Umsatzrückgang nur marginal schlechter als dem Gesamtmarkt. Laut Hochreutener waren die Center erfolgreich, die etwas getan haben, etwa mit Umbauten.
"Der Handel lebt"
Behaupten werden sich laut Hochreutener diejenigen Marktteilnehmer, die on- und offline effizient miteinander verknüpfen. Die Grenzen würden zunehmend verschwinden. Als weiteren Handelstrend nannte er die gestiegene Macht der Kunden, die zunehmend besser als die Verkäufer informiert sind. Ebenfalls Trends seien etwa die zunehmende Individualisierung von Produkten, die gestiegene Relevanz von Convenience, neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, Augmented Reality, das Internet der Dinge, Big Data und mehr. Hochreutener forderte den Handel auf, in Technik, Logistik und Personal zu investieren, denn trotz Technik sei auch in zehn Jahren der Mensch der entscheidende Faktor. Auch die Politik sei gefordert, weil viele Gesetze und Vorschriften veraltet seien.
Seit 2010 verschwanden laut GfK-Hochrechnungen rund 6000 Verkaufsstellen. Das Lädelisterben habe nun auch den Non-Food-Sektor erfasst. Zu kleine oder unklar positionierte Händler kämen unter die Räder, Verlierer sei der Fachhandel, vor allem im Fashion- und Schuhmarkt. Auch dieses Jahr erwartet GfK weitere Schliessungen. Andererseits eröffneten Discounter und Tankstellenshops rund 12 Prozent mehr Filialen. Bei Parfümerie- und Körperpflegegeschäften betrug der Anstieg 26 Prozent. Auch von Nespresso und Salt entstanden neue Läden. Mit Abstand am meisten Eröffnungen feierten Coop, Denner und Migros. Ausserdem gibt es heute über 10’000 Schweizer Onlineshops. So bilanzierte Hochreutener: "Der Handel lebt."
Coop-Chef spricht über Siroop
Patrick Kessler, Präsident des Branchenverbands VSV, sprach über die zunehmenden Direktverkäufe von Herstellern (D2C). "Direct to Customer ist nicht mehr tabu", sagte Kessler. Dies geschehe zunehmend online, was eine Chance für den stationären Handel sei. Adidas habe etwa im letzten Jahr bei seinem eigenem Onlineshop um 57 Prozent zugelegt. Heute liege der Umsatz mit Direktverkauf bei einem Fünftel des Gesamtumsatzes, Ziel von Adidas seien aber 60 Prozent. Provisionen für Händler seien dabei wenig realistisch, auch wenn sie den Kunden beraten und dieser dann direkt beim Hersteller einkauft. Das sei nur bei beratungsintensiven Sortimenten vorstellbar. Der Hersteller wolle nicht mehr, dass der Händler den Alleinzugang zum Kunden habe und versuche mehr über seine Kunden zu erfahren, etwa mit Cashback-Aktionen. Deshalb sollten Händler ihr Sortiment auf D2C-Risiken analysieren, mit den Händlern experimentieren, etwa mit Daten statt WKZ und mit einem Paradigmenwechsel beim Warenrisiko.
VSV-Präsident Patrick Kessler. (Source: Netzmedien)
Der Baumarkt Jumbo lancierte vergangenen Februar seinen Onlineshop. CEO Jérôme Gilg erklärte den Shop, der auch eine Contentplattform sei mit über 90 Artikeln, Filmen und Slideshows sowie 200 Seiten mit Tipps und Tricks für Bastler. Jumbo partnert mit der Dienstleistungs-Plattform Needelp, mit der Vermietungs-Plattform Sharely und für Workshops mit der Maker-Bewegung "Macherschaft" aus Basel. Trotz Online sei der Laden für Jumbo nach wie vor wichtig. Der Baumarkt soll laut Gilg aber zunehmend zum Showroom werden. Auch Shop-in-Shops von Jumbo seien denkbar.
Jumbo-CEO Jérôme Gilg. (Source: Netzmedien)
Coop-Chef Joos Sutter sprach mit Moderator Reto Brennwald über den gescheiterten Marktplatz Siroop. Sutter bemerkte, dass Coop den Mut für den Marktplatz hatte. Mit 62 Millionen Franken Umsatz im vergangenen Jahr sei Siroop gut gelaufen. Aber für den Erfolg seien viel höhere Investitionen nötig gewesen. Durch die folgende Zusammenlegung mit Microspot müsse Coop nun nicht mehr in zwei Brands investieren.
Moderator Reto Brennwald (l.) mit Coop-Chef Joos Sutter. (Source: Netzmedien)