"Wir haben aufgehört mit Elektronik"
Guntlin Elektronik hat sich vor knapp zwei Jahren von Vivanco getrennt. Wieso die beiden Unternehmen nicht zusammenfanden und was seither bei Guntlin geschah, erzählt Geschäftsführer Ali Yasar im Interview.
Warum haben Sie Guntlin Elektronik vor über zwei Jahren übernommen?
Ali Yasar: Es war schon immer mein Traum, selbstständig zu sein. Als sich dann die Chance dazu bot, überlegte ich nicht lange und nahm diese wahr. Ich wurde ja zunächst von Guntlin eingestellt, um Vivanco und Guntlin zusammenzubringen. Dann musste ich leider feststellen, dass die beiden Firmen verschiedene Marktstrategien hatten. Somit tat sich dann eine Türe auf, die Firma Guntlin zu übernehmen.
Wieso passten beide Firmen nicht zusammen?
Weil Vivanco auf Flächenmärkte ausgerichtet ist. Unsere Domäne ist aber der Fachhandel. Das zu vermischen ist schwierig, da ist die Akzeptanz zu gering. Ein Fachhändler kauft keine Produkte, die in Flächenmärkten vertreten sind, da schneidet er sich ja ins eigene Fleisch. Zumindest beim Zubehör ist das so.
Wie sieht Ihr Fazit nach über zwei Jahren als Geschäftsführer und Eigentümer von Guntlin aus?
Ich bin total zufrieden! Mit unseren Partnern haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit, und der Erfolg sagt mir, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Guntlin gibt es seit über 35 Jahren und hat sich einen Namen gemacht. Das ist unser Vorteil. Wir sind für unsere Kunden immer da.
Wo steht Guntlin heute?
Wir wachsen, haben hemmende Altlasten abgeschüttelt und uns neu aufgestellt. Man muss immer auf der Suche sein und die Nase vorn haben. Das können wir als Kleinfirma sehr gut. Wir sind flexibel, schnell und kundenfreundlich. Wir können auch Sonderwünsche unserer Kunden erfüllen.
Wie sehen diese Sonderwünsche aus?
Ein Kunde wollte beispielsweise schnellstens eine Display-Halterung mit 80 Zentimetern Ausleger haben. Weil es so etwas nicht gibt, liessen wir bei einem unserer Partner die Achse verlängern. Wenn der Kunde eine Lösung sucht, sind die Kosten dafür sekundär. Dann muss man aber auch Lösungsvorschläge bereit haben.
Was ist seit der Übernahme bei Guntlin passiert?
Bis zur Übernahme gab es einen Stillstand im Sortiment. Wir entwickelten das Sortiment weiter und passten es den Bedürfnissen der Kunden an. Wir haben fortlaufend Neuheiten, die von unseren Kunden bestellt werden.
Haben Sie das Sortiment ausgebaut?
Ja, wir vergrösserten das Sortiment auf gut 500 Artikel und wurden moderner. Ein Beispiel sind Batterien, die gibt es ja wie Sand am Meer. Aber wir brachten mit Agfa eine weitere Marke auf den Markt – und zwar erfolgreich, weil Agfa nicht überall vertreten ist. Wir gehen damit ausschliesslich zum Fachhandel. So kann dieser sich von den Mitbewerbern abheben und auch preislich mithalten. Unsere Batteriepreise und die Qualität sind unschlagbar.
Wie ist es möglich, die Preise so tief zu halten?
Alles ist möglich, man braucht nur die richtigen Quellen. Bis zur Übernahme war ich 25 Jahre im Einkauf tätig. Ich habe weltweit sehr gute Beziehungen und kann mittlerweile alles Menschenmögliche auftreiben. Das half uns auch bei der Entwicklung des Sortiments, das A und O eines Distributors.
Was ist neu im Sortiment?
Seit Neuestem sind wir beispielsweise erfolgreich mit Digital Signage. Wir bieten hier sämtliches Zubehör, alles was mit Multi-Screen, Ständern fürs Konferenzzimmer und Ähnlichem zu tun hat. Dabei suchen wir nach Spezialitäten, die nicht alle haben. Mit diesem Konzept wachsen wir und konnten viele neue Kunden gewinnen.
Was sind das für Produkte?
Wir vertreten etwa die Firma Multibrackets exklusiv in der Schweiz. Deren motorisierte Display-Wandhalterungen kosten bei uns 300 bis 400 Franken, es gibt manuell bedienbare Halterungen auf dem Markt, die mehr kosten. Die Firma gibt zudem zu jedem Produkt nicht nur ein Datenblatt mit, sondern stellt auch ein Video dazu auf Youtube. Unser Kunde sowie der Endverbraucher können sich Bedienungs- und Montageanleitungen sowie Fotos und Kurzfilme herunterladen. Da wird die komplette Installation mit jeder Schraube im Detail erklärt. Das braucht der Kunde. Er will möglichst viele Informationen aus einer Quelle, weil er wenig Zeit zum Nachfragen hat.
Was versprechen Sie sich vom grösseren Sortiment?
Dadurch wurden wir interessanter für unsere Kunden. Sie wollen bei der Sortimentszusammenstellung möglichst alles aus einer Hand beziehen. So haben die Kunden wenig Aufwand. Das bieten wir und dazu auch eine hohe Warenverfügbarkeit. Viele sind überrascht, wenn ich ihnen am Telefon sage, dass ein Produkt schon morgen bei ihnen eintreffen werde. Darauf kommt es heute an. Der Konsument sieht etwas, und will es sofort haben. Er will nicht mehr warten. Bei einem Monat Lieferfrist ist der Kunde weg. Deshalb müssen wir gewährleisten, dass wir die Ware an Lager haben und sofort ausliefern können.
Dann garantieren Sie eine Lieferung innerhalb eines Tages?
Nicht bei allen Produkten, aber bei rund 95 Prozent des Standardsortiments.
Wenn der Fachhandel alles aus einer Hand will, bietet Guntlin dann als nächstes Geräte an?
Nein, in den Gerätebereich werden wir nicht einsteigen. Dafür müssten wir das Personal ausbauen, weil wir zusätzliche administrative Aufgaben erledigen müssten, zum Beispiel mit technischem Support. Ich lasse mir aber immer Türen offen, irgendwo einzusteigen, wenn ich glaube, dass wir Erfolg haben werden.
Was könnte das sein?
Ich sehe Guntlin als Anbieter, der das Gesamtsortiment im Zubehörbereich abdeckt. Also sehe ich uns durchaus auch im Elektrosegment, wo wir eine enge Partnerschaft mit der Firma Hager für den UE-Bereich haben. Heutzutage geht Unterhaltungselektronik und Elektroinstallation fast schon Hand in Hand. Viele unserer Kunden haben Partner, die auch Elektroinstallationen anbieten. Da sehe ich durchaus Potenzial für uns mit Zubehör für den Elektrohandel, etwa mit Verlängerungskabeln, Steckern, Schaltern, Steckdosen, Kabelrollen oder Steckdosenleisten.
Warum verkauft Guntlin Elektronik keine Elektronik mehr?
Als ich bei Guntlin anfing, gab es tatsächlich noch drei alte Mischpulte. Früher waren es auch Verstärker, Endgeräte und mehr. Aber damit haben wir aufgehört. Eigentlich ist der Namenszusatz Elektronik obsolet, wir führen keine Elektronikartikel mehr. Der Name war sozusagen ein Erbstück. Aber: "Sag niemals nie!"
Sehen Sie das Wachstum nicht mehr bei CE-Geräten, sondern beim Zubehör?
Die Situation ist im Moment grundsätzlich schwierig. Aber wir sind letztes Jahr gewachsen, und dieses Jahr sieht es gut aus. Das ist möglich, weil wir unsere Kernkompetenzen im Zubehörbereich ausbauen. Wir wollen unseren Partnern immer das Optimale anbieten, Minderqualität ist für uns kein Thema. Wenn ein Guntlin-Produkt die Fachhandelskriterien nicht erfüllt, nehmen wir es nicht ins Sortiment auf. Ich will nachts ruhig schlafen können, wenn ich einen Artikel verkauft habe.
Wie läuft das Geschäft mit TV-Möbeln?
Verhalten. Unsere neue Serie mit farbigen Möbeln findet sehr guten Anklang. Aber der Möbelmarkt ist schwierig, weil meist zuerst der technische Artikel und nicht das Möbel ersetzt wird. Aber das Segment ist eine Chance für den Fachhandel. Ich glaube nicht, dass man an einem Fernseher mehr verdient als an einem Möbelstück.
Welche Strategie fährt Guntlin bei Möbeln?
Wir wollen eine Alternative bieten und sind sehr preisaggressiv bei sehr guter Qualität.
Worauf kommt es beim Möbelverkauf an?
Das Wichtigste ist, das Möbel im Laden zu zeigen. Möbel verkauft man nur, wenn die Vorteile ersichtlich sind. Unsere Glasmöbel werden handgemacht. Das ist Millimeterarbeit. Die gibt es in Optiwhite ohne Grünstich, Klarglas und Rauchglas und neu auch in Weiss, die sind wunderschön. Das muss man zeigen, Glas ist was Besonderes! Hier versuchen wir, unseren Partnern auch zu helfen, etwa mit Glasmustern und Ausstellungsmodellen zu speziellen Konditionen, damit sie es zeigen können. Das lohnt sich für den Fachhandel.
Als Sie Guntlin Elektronik übernahmen, wollten Sie das Unternehmen ausbauen. Sind Sie nun nicht mehr nur ein Drei-Mann-Team?
Seit der Übernahme hatten wir Zuwächse, auch beim Umsatz. Das lässt es zu, dass wir uns vergrössern. Weil wir eine Kleinfirma sind, mussten wir aber erst die Mittel dazu haben, um neue Mitarbeiter finanzieren zu können. Ich bin deshalb jetzt auf der Suche nach einer vierten Person.
Wieso ging das so lange, mittlerweile sind ja über zwei Jahre vergangen?
Das lag nicht an uns, sondern einzig an der Finanzierbarkeit. Kommt dazu, dass wir erst mal unsere Hausaufgaben nach der Übernahme machen mussten.
Was waren das für Hausaufgaben?
Wir führten zum Beispiel ein neues Warenbewirtschaftungssystem ein, das komplett uns angepasst ist. Das System läuft nun seit Anfang des Jahres sehr gut. Im Juni ist auch unser neuer Internetshop fertig, wir sind da nur noch beim Feintuning. So kann das Warenbewirtschaftungssystem dem Internetshop Informationen übermitteln. Damit sind wir täglich aktuell. Wenn wir 100 Halterungen verkaufen, sieht man das im Shop, weil der Artikelstamm jeden Mittag überspielt wird.
Was ist neu beim Internetshop?
Der neue Shop ist eine total neue Welt für uns. Nach der Übernahme luden wir beim alten Shop einzig ein Team-Foto hoch. So wollten wir unsere Nähe zum Kunden zeigen. Darauf legen wir grossen Wert, weil wir ein KMU sind. Nun haben wir einen noch persönlicheren Shop in neuem Design, der B2B- und B2C-fähig ist.
Was bedeutet das?
Fachhandelspartner können sich in unserem Shop einloggen, sich über Produkte informieren, Bilder herunterladen und Artikel bestellen. Auch Kunden können sich informieren, welche Produkte wir etwa im Sortiment führen. Endkunden können diese aber nicht bestellen. Deshalb sind die Preise immer in UVPs angegeben, die der Kunde im Laden bezahlen würde. Der Shop ist also wie unser Katalog auch eine Informationsplattform, nur zeigen wir im Shop unser Vollsortiment. Das war beim Katalog so nicht möglich.
Sie sagten bei der Übernahme, Sie wollen mit Guntlin näher zum Fachhandel. Wie soll das gelingen?
Wir wollen den persönlichen Kontakt zum Kunden nicht verlieren, gerade in der heutigen digitalen Welt. Ein Shop ist ja schön und gut, ich freue mich über jeden Anruf. Wir wollen für unsere Partner da sein und den persönlichen Kontakt nicht verlieren. Zu jeder Bestellung schreiben wir beispielsweise etwas Persönliches von Hand dazu. Die Zeit nehmen wir uns. Zu jedem Glasmöbel gibt es neu auch ein Garantiezertifikat, das bestätigt, dass jedes Möbel fachmännisch von Hand hergestellt wurde. Wir sind sehr erpicht darauf, dass wir unseren Partnern eine hohe Dienstleistung erbringen. Wenn er mit uns zusammenarbeitet, soll der Kunde beruhigt sein, weil wir vieles schon im Vorfeld für ihn leisten.
Wie unterstützt Guntlin den Fachhandel?
Der Fachhandel wird von uns stark unterstützt, weil wir wissen, dass er einen schweren Stand gegenüber den Flächenmärkten hat. Deshalb sind wir sehr kulant. Wir ersetzten auch schon Möbel kostenlos, die nach fünf Jahren kaputtgingen. Wir geben auch spezielle Rabatte von bis zu 50 Prozent auf Ausstellungsartikel, etwa für den Showroom. Wir wollen einen ausgezeichneten Service bieten, damit auch der Endkunde wieder kommt. Wir bieten das optimale Sortiment mit Qualitätsprodukten und Unterstützung auch mit Support am POS. Bei uns ist der Kunde wirklich König, das soll nicht nur eine Marketingfloskel sein. Denn wenn wir dem Fachhandel den Erfolg nicht gönnen, werden auch wir verlieren.
Warum sind das keine Marketingfloskeln?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Seit gut drei Monaten packen wir Stoffhandschuhe zu unseren Glasmöbeln. Wenn nun der Fachhändler zum Kunden geht, muss er nicht mehr Fingerabdrücke vom Möbel abputzen. Das kostet uns zwar etwas, aber wir müssen weiterdenken. Wenn ein Händler zu mir nach Hause kommt und ein Möbel mit Handschuhen aufstellt, hebt er sich ab. Das fände ich als Kunde sehr professionell.
Persönlich
Ali Yasar (49) ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Seit Ende 2012 ist Yasar Geschäftsführer, Verwaltungsratspräsident und Miteigentümer der Guntlin Elektronik, nachdem er das Unternehmen Vivanco abgekauft hat. Zuvor war Yasar acht Jahre lang bei Steffen Elektro Grosshandel in Spreitenbach als Einkaufsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung tätig. Insgesamt arbeitet er seit über 25 Jahren im Einkauf, mehrheitlich in der CE-Branche. Privat reist Ali Yasar gerne und nimmt auch gerne sein Motorrad mit. Seine weiteren Hobbys sind Sport, Kochen und Lesen.