"Wir essen lieber Weisswurst statt Sashimi"
Hama Schweiz hat im Oktober seinen neuen Geschäftssitz in Volketswil bezogen. Zudem feiert die Zubehörspezialistin dieses Jahr das 90-jährige Jubiläum. Hama-Schweiz-Geschäftsführer David Sieber erklärt, was das für ihn bedeutet und warum er glücklich darüber ist, heute in Volketswil zu arbeiten.
Hama feiert dieses Jahr in Deutschland das 90-jährige Jubiläum. Feiern Sie auch in der Schweiz? Und: Was bedeutet das Jubiläum für Hama?
David Sieber: Natürlich planen wir zum Jubiläum auch in der Schweiz verschiedene Aktionen und spezielle Promotionen gemeinsam mit unseren Handelspartnern. Zudem findet am 3. und 4. Juni unsere Schweizer Hausmesse in Volketswil statt. Aber diese 90 Jahre bedeuten eigentlich viel mehr. Sie zeigen auf, dass Hama es als Familienunternehmen in den vergangenen neun Jahrzehnten geschafft hat, sich in turbulenten Zeiten immer wieder neuen Marktgegebenheiten anzupassen. Wenn Sie einmal darüber nachdenken, wie sich die Welt seit 1923 verändert hat, ist das eine beachtliche Leistung.
Was macht es Ihrer Meinung nach aus, dass sich Hama immer behaupten konnte?
Vielleicht liegt es daran, dass Hama ein Familienunternehmen ist? Dass wir bodenständig geblieben sind? Lieber Weisswurst statt Sashimi essen? Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich Hama immer wieder gegen agile und hungrige Mitbewerber zur Wehr setzen musste. Das hat uns fit gemacht. Zudem hat sich der Zubehörmarkt natürlich in der Firmengeschichte kolossal verändert. Hama hat sich mit dem Markt verändert, ist an ihm gewachsen und hat sich mehr als einmal auch neu erfunden und sich immer wieder differenziert. Angenommen, wir wären immer nur beim Fotozubehör geblieben, von wo Hama ja ursprünglich herkommt, dann gäbe es das Unternehmen wohl in dieser Form heute nicht mehr.
Wie sind Sie in der Schweiz mit dem Geschäftsgang von Hama zufrieden?
Wir haben im letzten Jahr in der Schweiz sehr gut gearbeitet. Das Wachstum kommt vor allem aus dem Bereich Tablet- und Smartphone-Zubehör. Nur mit dem klassischen Consumer-Electronics-Handel oder mit dem Fotofachhandel alleine wäre es kaum möglich gewesen, auf die Umsätze des Vorjahres zu kommen. Der gute Geschäftsgang hat aber auch damit zu tun, dass wir heutzutage die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen sehr gut im Griff haben. Wir arbeiten auch sehr eng mit unseren Handelspartnern zusammen und erarbeiten gemeinsam Konzepte für die Bewirtschaftung am POS. Der Handel will heutzutage ja möglichst leere Lager und gleichzeitige volle Zubehörwände. Diese Just-in-time-Bewirtschaftung kann er bei uns haben.
Wo stecken im momentanen wirtschaftlichen Umfeld die Herausforderungen in Ihrem Geschäft?
Unser Geschäft ist sehr direkt von der verkauften Anzahl der im Markt abgesetzten Endgeräte abhängig. Werden etwa mehr Fernseher nachgefragt, verkaufen wir mehr HDMI-Kabel und Wandhalterungen. Werden mehr Smartphones im Markt abgesetzt, verkaufen wir mehr Hüllen. Bei der Marktentwicklung im CE-Markt können Sie sich vorstellen, dass wir froh sind um die boomenden Märkte rund um Smartphones und Tablets.
Wie betreuen Sie den Schweizer Markt?
Wir funktionieren eigentlich ganz klassisch über unseren Aussendienst und betreuen den Markt mit verschiedenen Key-Account-Managern, die alle spezielle Kenntnisse aus einem bestimmten Bereich haben, etwa aus der Fotografie oder der Unterhaltungselektronik. Neu haben wir seit einiger Zeit auch einen Key-Account-Manager, der den ganzen Mobile-Bereich für Hama in der Schweiz betreut. Dazu gehören die typischen Mobilfunk-Kanäle und die Telekom-Operators. Dann haben wir auch seit einigen Jahren einen Mann bei uns tätig, der im Bereich PBS (Papier, Büro, Schreibwaren, Anm. d. Red.) das Schultaschen-Geschäft betreut, in dem wir stark wachsen. Ganz neu hat ein Spezialist bei uns angefangen, der Teile unseres Sortiments auf internationaler Basis in Flughafenshops, Duty-free-Läden und weiteren Shops platziert.
Sind Sie zufrieden mit der Art und Weise, wie der Schweizer Handel Ihr Zubehörsortiment vertreibt? Oder anders gefragt: Verkauft der Handel in der Schweiz zu wenig Zubehör?
Ja, es ist zu wenig. Und ich denke dabei nicht einmal an uns als Zubehörlieferant, als den wir natürlich gerne mehr liefern würden. Der Handel müsste aus seinem ureigensten Interesse heraus mehr Zubehör verkaufen wollen. Denn im Zubehör steckt die Marge. Zudem kann sich der Handel mit einem guten Zubehörsortiment von Mitbewerbern unterscheiden und zeigen, dass er auch zum qualitativen Verkaufen fähig ist. Aber es gibt im Handel natürlich auch gute Zubehörverkäufer. Die besten finden sich erfahrungsgemäss im Fotofachhandel. Dort haben wir die höchste Attachment-Rate, wie wir das im Fachjargon nennen. Unter Attachment-Rate verstehen wir die Anzahl Produkte, die zusätzlich zu einem Hauptprodukt verkauft werden. Zu jeder Kamera gehören etwa eine Fototasche, ein Zusatzakku, zwei Speicherkarten, ein Filter, Reinigungsmittel, ein Stativ, Fernauslöser und weiteres. Die Liste lässt sich beliebig fortführen. Wenn Unterhaltungselektronik-Verkäufer und Multimedia-Verkäufer in demselben Umfang Zubehör verkaufen würden wie der Fotofachhandel, dann würde es denen ertragstechnisch sehr viel besser gehen.
Und was schlagen Sie vor, um die Situation zu verbessern?
Wie gesagt: Zubehörverkauf ist immer ein qualitativer Verkauf. Es braucht dafür im Handel beziehungsweise bei den Verkäufern Know-how, Beratungswille und Dienstleistungsbereitschaft. Nun haben wir das Problem, dass im Fachhandel oft der Platz fehlt, der dem Zubehör eingeräumt werden sollte. In der Grossfläche, wo der Platz vorhanden ist, bräuchte es hingegen mehr Personal sowie mehr Kompetenz und Wille, Zubehör qualitativ zu verkaufen.
Das ist ein klassischer Zielkonflikt. Der Fachhandel hat zuwenig Platz und genug Personal, die anderen genug Platz aber zuwenig Leute. Was ist die Lösung?
Ohne Ausbildung geht es nicht. Der Handel muss gewillt sein, seine Verkaufsmitarbeiter zu schulen. Zudem muss das Management den Zubehörverkauf als strategisches Element im Sortiment sehen und den Zubehörverkauf auch entsprechend honorieren beziehungsweise attraktiv machen. Wir stellen auch immer wieder fest, dass Spanne und Roherträge sofort steigen, wenn wir die Verkäufer schulen und wenn das Management hinter dem Zubehör steht. Zubehörverkauf ist, wenn Sie so wollen, eine Management-Aufgabe. Der Handel verliert so viel, wenn er den Zubehörverkauf vernachlässigt.
Hat der Zubehörverkauf vielleicht bei den Verkäufern ein Image-Problem?
Gut möglich. Ich bin schon vielen Verkäufern begegnet, die eine innere Abwehrhaltung gegen den Zubehörverkauf entwickelt haben. Sie glauben, man würde den Kunden mit Zubehör unnützes Zeugs aufschwatzen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Oft entfalten technische Produkte erst mit der Verwendung von passendem Zubehör ihr gesamtes Potenzial. Es geht beim Zubehörverkauf auch darum, dem Kunden zusätzliche Möglichkeiten für die Verwendung seines Produktes aufzuzeigen. Das Resultat sind zufriedene Kunden, die sich verstanden, gut beraten und ernst genommen fühlen. Solche Kunden kommen wieder. Man kann die Wichtigkeit des Zubehörverkaufs gar nicht hoch genug werten.
Wie schätzen Sie die Position von Hama im Konkurrenzumfeld in der Schweiz ein?
Es hat in den letzten Jahren ja sehr viel mehr Mitbewerber gegeben, vor allem solche, die auf das Geschäft mit Smartphone- und Tablet-Zubehör aufgesprungen sind. Die Landschaft an Zubehöranbietern ist deshalb recht heterogen und rasch wandelnd. Doch der Handel möchte eigentlich lieber mit weniger Lieferanten arbeiten, weil sich das positiv auf die Lieferkonditionen auswirkt. Die Umsätze je Warengruppe sind im Zubehörhandel ja nicht hoch. Nimmt man alle Warengruppen, kommt aber einiges zusammen. Auch deshalb sucht der Handel nach Konsolidierung bei den Lieferanten. Denn über entsprechende Zielvereinbarungen kann er zu besseren Konditionen kommen. Zudem hat der Handel gerade in der Fläche kein Interesse daran, dass sich die Zubehöranbieter gegenseitig in den gleichen Produktkategorien zu stark konkurrenzieren. Denn das führt zu Preiszerfall und schmaleren Sortimenten. Für Hama ist das eine positive Entwicklung. Denn wir können die ganze Breite und Tiefe des Zubehörsortimentes anbieten. Im Weiteren interessiert den Handel natürlich wie gut ein Zubehöranbieter seine Logistikprozesse mit Warenverfügbarkeit und -lieferung, Rechnungsstellung und so weiter im Griff hat. Und da spielt Hama ganz vorne mit. Das Unternehmen hat gerade wieder 19 Millionen Euro in die Verbesserung der Logistik im Zentrallager in Bayern investiert, um diese Prozesse weiter zu rationalisieren und zu beschleunigen.
Welche Trends gibt es im Zubehörgeschäft?
Ganz klar: Bluetooth-Speaker und Hi-Fi-Kopfhörer mit Bluetooth. Zudem Powerpacks für Smartphones und Smartphone-Hüllen in allen Farben und Formen. Von den Farben her ist übrigens alles Neonfarbene im Trend. Es scheint als wären die 80er-Jahre zurück.
Wie haben Sie sich am neuen Firmensitz in Volketswil eingelebt?
Sehr gut. Wir sind nun schon seit Oktober da und es ist natürlich kein Vergleich mit dem alten Haus in Fällanden. Das Beste ist, dass wir alle auf einer Ebene miteinander arbeiten. Die Büros sind lichtdurchflutet und bieten ein angenehmes Arbeitsklima. Zudem haben wir nun eine kleine Kantine, in der sich am Mittag viele treffen und sich so ein weiter gesteigertes Gemeinschaftsgefühl einstellt. Wir sind auch sehr glücklich über die neue Logistiklösung. Wir liefern nun ja direkt ab unserem Lager in Bayern und haben damit Zugriff auf das volle Sortiment mit über 18'000 Produkten. Vorher mit dem Lager in Fällanden konnten wir nur ein knappes Drittel unseres Sortiments in der Schweiz vertreiben und konnten so natürlich nicht unser volles Potenzial ausschöpfen. Ich finde das einen Vorteil für unsere Handelspartner.
Ihre Message an den Handel?
Das ist einfach: Verkauft mehr Zubehör! Und denkt bei Design und Farben an den Geschmack der Kunden, nicht an den eigenen.
Persönlich
David Sieber kam über den Einzelhandel zu seiner Tätigkeit. Vor Hama war er sechs Jahre bei Orange, was eine spannende Mobile Operator Start-up-Phase war. Vier Jahre Kalifornien-Aufenthalt und seine regelmässigen Asienreisen haben sein Weltbild geprägt. Sein heute 8-jähriger Sohn bildet den Hauptteil seiner privaten Zeit, gemeinsam mit seiner Frau leben die drei im Zürcher Unterland.