Mit Swisscom einen Schritt näher zur Energiewende
Es klingt nach einem hehren Ziel: Swisscom will einen Beitrag zur Energiewende leisten. Hinter dem Einstieg in das Geschäft mit sogenannter Regelenergie steckt aber auch der Versuch, neue Geschäftsfelder zu erschliessen und die rückläufige Bilanz aufzubessern.
Mit dem Blick auf die viel diskutierte und scheinbar doch noch in weiter Ferne liegende Energiewende, schlägt Swisscom einen für einen Kommunikationsdienstleister ungewöhnlichen Weg ein. Mit dem Tochterunternehmen Swisscom Energy Solutions plant der Anbieter das Eigenheim in einen Knotenpunkt im Stromnetz zu verwandeln, wie "10vor10" berichtet.
Dynamische Verbrauchssteuerung lautet das Schlüsselwort. Unter dem Namen Be Smart wirbt die Tochterfirma für die Teilnahme an dem Projekt. Aus dem Zusammenschluss möglichst vieler Wohnhäuser soll ein virtuelles Kraftwerk entstehen, welches – gesteuert über das Mobilfunknetz – zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen könnte. Unvorhergesehene Schwankungen sollen so innerhalb kürzester Zeit ausgeglichen werden. Das ist vor allem interessant hinsichtlich der Unbeständigkeit erneuerbarer Energien.
Heizzyklus verschiebt sich um 30 Minuten
Das Ganze funktioniert denkbar simpel. Es kommt eine Technologie zum Einsatz, die letztlich nicht viel mehr als ein ferngesteuerter Ein-Aus-Schalter ist. Die Schalter werden im Haus an die Wärmepumpe, die elektrische Direktheizung oder die Nachtspeicherheizung angeschlossen. Gekoppelt mit einem Kommunikationsmodul bilden sie das virtuelle Kraftwerk.
Wenn dann in der Schweiz plötzlich zu viel oder zu wenig Strom produziert wird, verschiebt Be Smart den Heizzyklus der angeschlossenen Heizungen um circa 30 Minuten. Der gewonnene Strom wird dann zur Einspeisung ins Stromnetz an Swissgrid verkauft. Swissgrid ist die nationale Netzgesellschaft und Übertragungsnetzeigentümerin des Schweizer Hochspannungsnetzes. Sie ist verantwortlich für die zuverlässige und wirtschaftliche Energierversorgung schweizweit.
Alternative zum Pumpspeicherkraftwerk
Für die Bewohner der Häuser ist die Verschiebung der Heizzyklen nach Angaben des Unternehmens praktisch nicht spürbar. Die Temperaturschwankungen sollen sich auf etwa 0,5 Grad belaufen. Die Wirkung für das Stromnetz kann aber enorm sein. Bei einer grossen Anzahl zusammengeschlossener Wärmepumpen, Boiler und elektrischen Heizungen, soll das virtuelle Kraftwerk eine Kapazität erreichen, die mit der Leistung eines Kernkraftwerkes vergleichbar ist.
Die Idee, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen, ist nicht neu. Heute gleichen die Stromproduzenten die Schwankungen mithilfe von Pumpspeicherkraftwerken aus. Der Ansatz, den Swisscom nun verfolgt, ist hingegen innovativ und birgt viel Potenzial. Aus ökologischer Sicht, aber auch aus wirtschaftlicher. Swisscom tritt mit dem Modell in Konkurrenz zu den Stromkonzernen. Bei den Stromproduzenten sieht man laut dem Bericht von "10vor10" Swisscom jedoch nicht als Konkurrenten.
Erfolgsaussichten
Wie BKW-Chefin Suzanne Thoma gegenüber "10vor10" erklärte, ist es für neue Mitspieler nicht einfach im Stromgeschäft Fuss zu fassen. "Das Energiegeschäft ist vor allem ein Versorgungsgeschäft und ein Infrastrukturgeschäft, das sehr viele Investitionen mit sich bringt, die viele Jahrzehnte gebunden sind."
Diese Aussage klingt nach Schönrederei. Denn für den eingeschlagenen Weg benötigt Swisscom keine eigene Infrastruktur. Die Investitionen beschränken sich auf die Regeleinheiten in den Knotenpunkten. Das Stromnetz ist bereits vorhanden. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt und ob es der Neuling tatsächlich so schwer haben wird.