"Ich habe keinen Kulturschock erlebt"
Jean-Marc Hensch ist seit Juni neuer Geschäftsführer des Swico. Hensch kommt vom Verband der Schweizer Gasindustrie, den er während zehn Jahren leitete. Was ihn mit Consumer Electronics und IT verbindet und wie er sich einen nutzenstiftenden Branchenverband vorstellt, erklärt er im Interview.
Nach zehn Jahren als Geschäftsführer des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie haben Sie in die ITC-Branche gewechselt. Wie sind Sie gestartet in Ihrer neuen Funktion als Swico-Geschäftsführer?
Jean-Marc Hensch: Ich habe durch meinen Wechsel vom Verband der Schweizer Gasindustrie zum Swico keinen Kulturschock erlebt. Ich fühle mich wohl in meiner neuen Aufgabe und mich dieser auch gewachsen.
Wie packen Sie Ihre neuen Aufgaben an? Was wollen sie anders machen als Ihr Vorgänger?
Sehen Sie, wenn man eine solche neue Stelle antritt, meinen viele, man mache dann plötzlich alles anders als der Vorgänger. Es gilt nun, das bisher Erreichte zu bewahren und aufgrund meines Profils zusätzliche Komponenten, zum Beispiel neue Dienstleistungen für unsere Mitglieder, zu entwickeln. Die Aufgaben des Verbandes bleiben die gleichen. Ich habe zehn Jahre lang Verbandsmanagement gemacht. Da kenne ich mich aus.
Aber von der Gasindustrie in einen ICT-Verband zu wechseln ist doch mehr, als nur einfach am Morgen in ein neues Büro zur Arbeit zu gehen …
Natürlich. In der ICT und auch im Recycling herrscht eine ganz andere Kultur.
Wie meinen Sie das?
Es gefällt mir und ich empfinde es als sehr erfrischend, dass in der ICT-Branche und in der Recyclingbranche eine lockere Umgangsart miteinander kombiniert wird mit einer Kultur der Leistungsbereitschaft und des Qualitätsbewusstseins. In der Energiebranche haben prozedurale Fragen und Fragen des Status einen grossen Stellenwert. Man spricht ja nicht umsonst von Strombaronen. Vor allem sind die Zyklen ganz anders: In der ICT interessiert das nächste Quartal, beim Gas das übernächste Jahrzehnt.
Was gefällt Ihnen an Ihrer neuen Aufgabe ausserdem?
Das Spannende an meiner Tätigkeit ist der Mix zwischen der einerseits absatzbezogenen Welt der ICT-Produkte und -Dienstleistungen, andererseits das erdverbundene Thema Recycling. Das sind zwei grundlegend verschiedene Welten, auch wenn sie natürlich zusammenhängen. Es gibt hier viele kompetente Schnelldenker, die es sich gewohnt sind, anzupacken und etwas zum Laufen zu bringen. Zudem schätze ich meinen Gestaltungsfreiraum. Ich wurde vom Vorstand und von meinem Vorgänger schon früh in wichtige Entscheidungen, etwa in Personalfragen, eingebunden. Es waren und sind in diesem Jahr einige Stellen neu zu besetzen.
Warum sind Sie beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie gegangen?
Ich hatte einen guten Job beim Gas und hatte einen tollen Chef, mit dem ich symbiotisch gearbeitet habe. Zudem hatte ich auch sehr gute Mitarbeiter. Es gab eigentlich zwei Gründe für mich zu gehen. Das ganze politische Umfeld hat sich mit der sogenannten Energiewende stark in eine ideologische Richtung entwickelt, in der ich keine Möglichkeit mehr sah, wirklich etwas zu bewegen. Und nach zehn Jahren fand ich es auch an der Zeit, noch einmal etwas Neues anzufangen.
Und warum haben Sie sich für den Swico entschieden?
Es ist natürlich so, dass sich primär der Swico für mich entschieden hat. Meine persönliche Grundanforderung war eine CEO-Position im Raum Zürich. Swico hat mich sofort gepackt, weil ich mich seit Jahrzehnten für ICT interessiere und natürlich vom Gas her den Umweltbereich doch schon relativ gut kenne, der beim Recycling zentral ist.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil charakterisieren?
F&F: Fördern und fordern; selber viel leisten. Vorbild sein und sich den Respekt seiner Mitarbeiter verdienen. Für mich zählt primär die Leistung, die jemand bringt. Ich bin im Gegenzug bereit, viel Verantwortung abzugehen. Und ich werde mich immer vor meine Mitarbeitenden stellen, wenn sie im guten Glauben, das Richtige zu tun, Initiative ergreifen und dabei einmal etwas in die Hose geht. Nach meiner Erfahrung sind gute Mitarbeitende dann zufrieden, wenn sie immer mal wieder an der Grenze zur Überforderung entlangschrammen, denn dann ist die Arbeit spannend und man lernt am meisten. Allerdings kommt es auf die Dosis an: Dauerstress darf nicht sein. Was ich nicht ausstehen kann, sind Leute, die nicht motiviert sind und irgendwie durchs Leben «surfen» wollen statt etwas zu leisten – wobei diese Leistung durchaus auch eine soziale, kulturelle oder gesellschaftliche sein kann, aber es muss ein Mehrwert für andere herausschauen. Ich habe nichts gegen das Surfen, aber nicht als Lebenseinstellung und vor allem nicht im Job.
Und Ihr persönliches Verhältnis zu den Mitarbeitenden?
Ich habe nicht den Anspruch, von meinem Mitarbeitenden als Kollege oder Kumpel betrachtet zu werden, das ist aufgrund der Funktion auch nicht sinnvoll. Chefs, die vor allem persönliche Freunde ihrer Mitarbeitenden sein wollen, haben in der Regel keinen Erfolg, weil diese Vermischung von Rollen nicht aufgehen kann. Ich hoffe jedoch, dass meine Mitarbeitenden merken, dass ich sie respektiere und dass ich sie gerne mag, dass ich sie fördere und dass ich ihnen auch die Möglichkeit gebe, sich weiterzuentwickeln.
Was für ein Bild haben Sie vom Swico? Und wie stellen Sie sich die Zukunft des Verbandes vor?
Ich habe vor meiner Zeit beim Gas 20 Jahre als PR-Berater und Agenturleiter gearbeitet. Ich bin also vor allem ein Kommunikator. Ich sehe den Verband als integrierte Kommunikationsagentur für die Branche und so will ich den Verband auch führen. Wir müssen uns fragen: Haben wir die richtigen Botschaften? Haben wir die richtigen Mittel, um diese Botschaften zu transportieren? Wie können wir unsere Kommunikationsziele erreichen? Es ist auch denkbar, dass wir vom Verband aus Kommunikationsdienstleistungen anbieten, dass wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern zum Beispiel generische Kommunikationskonzepte erarbeiten und Plattformen für den Gedankenaustausch zwischen Marketingleitern anbieten.
Was ist Ihre Vision für den Swico?
Der Swico sollte der Kristallisationspunkt aller Anbieter aus der Schweizer ICT- und CE-Branche sein. Vor allem sollte er von aussen als solcher wahrgenommen werden. Ich stelle immer wieder fest, dass man den Swico ausserhalb des Mitgliederkreises kaum kennt, und wenn, dann als Recyling-Organisation. Ganz generell fehlt in der Schweiz eine starke Stimme für die Anliegen der gesamten Branche, gerade gegenüber der Politik. Daran arbeitet ICT Switzerland und wir sind Teil dieser Anstrengung. Know-how und Infrastruktur von Swico sind nämlich zentral für die Interessenwahrnehmung. Während ICT Switzerland in der Wandelhalle und sogar im Parlament selbst tätig sein kann, braucht es auch Ressourcen und Kompetenzen, um im Detail der einzelnen Dossiers die Kärrnerarbeit zu erledigen und den ständigen Kontakt mit der Verwaltung zu halten.
Es braucht also eine Konsolidierung in der Schweizer ICT-Verbandslandschaft?
Da hätten wir nichts dagegen. Allerdings können und wollen wir niemanden dazu zwingen und wir wollen das auch nicht aggressiv vorwärts treiben. Aber es würde der ICT-Industrie gut tun, wenn dank mehr Einheitlichkeit mehr Power nach aussen eingesetzt würde.
Womit beschäftigt sich der Swico im Moment vor allem?
Es gibt ein breites Feld an Dossiers, insbesondere auf der vorparlamentarischen Ebene, die Details würden hier zu weit führen. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir gerade das Recycling für die nächsten drei bis fünf Jahre neu ausschreiben. Es gibt eine Angebotsrunde bei den Logistik- und Recyclingpartnern. Immerhin geht es um bis zu 150 Millionen Franken Auftragsvolumen über die nächsten fünf Jahre. Dauerthemen beim Swico sind das Urheberrecht, Energieeffizienz inklusive CO2-Problematik, die ICT-Berufsausbildung, die Regulierungsdichte generell. Ein Megathema ist auch die Kompatibilität mit Gesetzen und Verordnungen der EU.
Zum Beispiel?
Die Schweiz hat die Tendenz, EU-Recht überhastet zu übernehmen und dieses dann noch durch eigene strengere Regeln zu ergänzen; das sogenannte Musterknabensyndrom. Dazu ein Beispiel, mit dem sich noch mein Vorgänger auseinandersetzte: Fotoapparate sind in der Verzollung deutlich günstiger als Videokameras. Nun haben aber die meisten Fotoapparate eine Videofunktion. In der EU wird die Abgrenzung bei 30 Minuten Aufnahmekapazität gezogen, weshalb die meisten Fotoapparate genau 29 Minuten aufnehmen können, um nicht die höheren Zölle für Kameras zu bezahlen. In der Schweiz wollte die Verwaltung eine andere, strengere Regel einführen. Diese hätte den Schweizer Handel gegenüber dem Einkauf im EU-Ausland noch stärker pönalisiert, als es der Wechselkurs schon tut. In Zusammenarbeit mit betroffenen Swico-Mitgliedern konnten die Schweizer Zollbehörden zu einer Praxisänderung bewegt und dieser Nachteil abgewendet werden. Dieses Beispiel zeigt sehr schön, dass es oft nicht um die hohe Politik, sondern um sehr spezifische Detailarbeit geht. Gerade weil dies sehr unspektakulär und unter dem Radar der Medien passiert, müssen wir als Verband sehr aktiv kommunizieren, denn solche Leistungen sind wichtige Mitgliedernutzen.
Wie schätzen Sie die Entwicklung des Consumer-Electronics-Marktes in der Schweiz ein?
Es ist ein sehr schwieriger Markt. Der Konkurrenzkampf ist beinhart, die Preiserosion ist enorm und es ist schwierig, Marge zu generieren. Ich bewundere die Swico-Mitglieder, die sich in diesem Geschäftsfeld bewegen.
Wie kann der Swico helfen?
Der Verband kämpft dafür, dass das regulatorische Umfeld das Business so wenig wie möglich belastet. Es sollen möglichst viele, möglichst attraktive Produkte zu den bestmöglichen Bedingungen in die Schweiz importiert werden und hier verkauft werden können. Wir kämpfen auch dafür, dass der Standort Schweiz weiterhin attraktiv bleibt. Gleichzeitig dürfen wir uns nicht von der EU abkoppeln.
Was tut der Swico für seine Mitglieder?
Wir wollen unseren Mitgliedern den grösstmöglichen Gegenwert für ihren Mitgliederbeitrag geben. Sie sollen gerne beim Swico sein. Das bedingt aber auch, dass wir einen guten Job machen und die richtigen Dienstleistungen anbieten, die unseren Mitgliedern das Leben im Tagesgeschäft erleichtern.