So beeinflusst die Preiselastizität die Stromkosten in der Schweiz
Die Stromtarife in der Schweiz sind starken Schwankungen ausgesetzt. Die Preiselastizität im Grosshandel und bei den Endverbrauchern ist jedoch gering. Das führt zu höheren Kosten für alle. Das Seco hat unter anderem untersucht, welche möglichen Szenarien für mehr Flexibilität sorgen könnten.
Der Stromverbrauch und die Einspeisung von Elektrizität ins hiesige Stromnetz verändern sich ständig. Entsprechend sind auch die Stromtarife in der Schweiz starken Schwankungen ausgesetzt. Wie es in einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) heisst, verändert sich der Strompreis tagsüber alle 15 Minuten. Damit entstünden wichtige Preissignale und Anreize für Marktteilnehmer. So seien Marktteilnehmer bei hohen Strompreisen eher gewillt, ihren Verbrauch zu reduzieren oder die Stromeinspeisung zu erhöhen.
Die Preissignale und damit auch der Anreiz, zu gewissen Zeiten weniger Strom zu verbrauchen, dringen jedoch nicht zu den Endverbrauchern in der Schweiz durch. Gemäss der Studie liegt das daran, dass die Energietarife nur einen Teil des Endkundenpreises ausmachen, hängt aber vor allem damit zusammen, dass fast alle Endkunden in der Grundversorgung sind und somit einen fixen jährlichen Strompreis bezahlen. Selbst grössere Verbraucher ausserhalb der Grundversorgung würden in der Regel längerfristige Verträge mit Fixpreisen abschliessen.
Entsprechend unflexibel gestaltet sich die Stromnachfrage am Schweizer Grosshandelsmarkt. Die Preiselastizität für die Schweiz liegt hier bei minus 0,07. Laut Seco bedeutet das, dass sich die nachgefragte Menge an Strom bei einer Verdoppelung des Grosshandelspreises von einer Stunde zur nächsten nur um ungefähr 7 Prozent reduzieren würde. Wenn also der Grosshandelspreis zwischen Mittagstief und Abendhoch im Schnitt um 41 Prozent steigt, nimmt die nachgefragte Strommenge nur um rund 2 bis 3 Prozent ab. "Eine eher bescheidene Reaktion", wie es weiter heisst. In Deutschland, Frankreich und Dänemark ist die Preiselastizität mit einem Wert von minus 0,04 in den ersten beiden Ländern und minus 0,02 in Dänemark noch geringer.
Höhere Kosten für alle
Aber was bedeutet das nun für die Schweiz? Wie die Studienautoren schreiben, führt die geringe Reaktion auf die Nachfrage zu wesentlichen Kosten für die Allgemeinheit. Denn es werde zu Spitzenlastzeiten mehr Energie verbraucht als nötig, deren Preise häufig durch teure fossile Kraftwerke im Ausland festgelegt werde. Am Strommarkt sehen es die Auktionsregeln vor, dass jeweils die teuersten abgerufenen Kraftwerke den Marktpreis für alle Abnehmer setzen. Somit erhöhe jeder zusätzliche Konsum den Preis für alle Nachfrager. Umgekehrt würde die Energieeinschränkung einzelner zu Spitzenzeiten eine Preissenkung für alle zur Folge haben. "Denn Stromsparen senkt nicht nur die eigene Stromrechnung, sondern auch die Beschaffungskosten aller anderen Nachfrager am Grosshandelsmarkt", heisst es dazu.
Ein weiterer wichtiger Faktor: Zu Spitzenlastzeiten braucht es teure Regelenergie, um die Spannung im Netz aufrecht zu erhalten. Die Kosten dafür wälze Netzbetreiber Swissgrid über die Netzentgelte - sprich die Gebühren - via untergelagerte Netzbetreiber auf alle Verbraucher ab. Laut Studienautoren wird dieser Beitrag zur Systemstabilität aufgrund des wachsenden Anteils erneuerbarer Wind- und Sonnenenergie immer wichtiger, da diese Energieformen wetterabhängig und somit schlecht steuerbar sind.
Höhere Preiselastizität bei Endverbrauchern
Verglichen mit dem Grosshandel ist die Preiselastizität der Endverbraucher auf ihre tatsächlichen Energietarife um einiges höher. Für Privathaushalte liegt sie bei minus 0,2 während Unternehmen einen Wert von minus 0,4 haben. Steigt der Preis also um 10 Prozent, nimmt die Nachfrage der Unternehmen um 4 Prozent ab. Gemäss Studie haben grössere Verbraucher eine höhere Elastizität. Die Branche spiele aber auch eine Rolle. Die Baubranche oder das verarbeitende Gewerbe reagiere mit einer Elastizität von minus 0,6 teils doppelt so stark wie Dienstleistungsunternehmen. "Fest steht aber: Die geringe Elastizität im Grosshandelsmarkt täuscht. Es steckt weitaus mehr Potenzial in der nachfrageseitigen Flexibilität, als es den Anschein hat, da die Festpreisverträge die Preissignale des Markts abfedern", schreiben die Studienautoren.
Damit sich die Flexibilität der Endverbraucher erhöhen würde, müssten sich die Preissignale stärker in ihren Energietarifen widerspiegeln. Voraussetzung dafür sei der Einsatz smarter Technologien wie Smart Meter, die den Verbrauch laufend messen und es so ermöglichen, angeschlossene Geräte über den Tag hinweg zu steuern. Zudem müssten die Endverbraucher laut Studienautoren teilweise auf die bisherige Preisstabilität verzichten. Dieser Vorschlag kam bei den Befragten jedoch weniger gut an. Sie hätten eine starke Präferenz für Preissicherhit. "Selbst Unternehmen am freien Markt wählen denn auch fast ausschliesslich mehrjährige Festpreisverträge", heisst es dazu.
Nutzung von Smart-Meter-Daten in Unternehmen. (Source: Seco)
Höhere Flexibilität mit Planbarkeit vereinen
Die Studienautoren plädieren daher für neue Tarifmodelle, die die notwendige Sicherheit und Planbarkeit für Verbraucher mit erhöhter Flexibilität verbinden. Als möglichen Ansatz nennen sie intelligente Verträge, welche den Strompreis nur für ein vorgängig vereinbartes Verbrauchsprofil fixieren. Allfällige Abweichungen würden zu aktuellen Marktpreisen verrechnet. Verbraucher könnten so beispielsweise über Mittag zu Nullpreisen ihre Wärmepumpe laufen lassen oder das Elektroauto laden und somit finanziell von günstigen Energiepreisen profitieren, ohne dabei die Sicherheit langfristiger Verträge zu verlieren.
Auch Franchise-Systeme wären für die Autoren denkbar. Wie bei der Krankenkasse wäre ein Teil des Stroms bis zu einem definierten Maximalbetrag gesichert. Alles was darüber hinausreicht, wird zu variablen Tarifen verrechnet. Fixe Tarife mit Bonussystem halten die Autoren jedoch für von den Endverbrauchern besser akzeptiert. Sie würden den Strombezug zu günstigen Zeiten belohnen, ohne dass ein Risiko für höhere Preise besteht.
"Unabhängig davon, welcher Weg gewählt wird: Nichts spricht dagegen, den Endkonsumenten flexible Stromtarife als freiwillige Option anzubieten - auch im Bereich der Grundversorgung. Diese können einerseits eine preislich attraktive Alternative sein. Andererseits tragen alle Konsumenten, die auf die Preissignale reagieren und die möglichen Einsparungen realisieren, zur Stabilisierung des Netzes und eines Markts mit mehr und mehr erneuerbaren Energiequellen bei", lautet das Plädoyer der Studienautoren.
Lesen Sie ausserdem: Im vergangenen Jahr sind beim Bund 126 Gesuche im Rahmen der wettbewerblichen Ausschreibung zum Stromsparen eingegangen. Das sind so viele wie noch nie. Bis zum 29. April können Interessierte ihre Gesuche für dieses Jahr einreichen.