Jetzt ermittelt auch Südkorea gegen Telegram – wegen Deepfake-Sexualverbrechen
Der russische Techmilliardär Pawel Durow hat in einem weiteren Land Ärger, weil seine Plattform bei Hinweisen auf Verbrechen nicht mit der Polizei kooperiere. Es ist von international koordinierten Ermittlungen die Rede.
Gegen Telegram laufen offenbar strafrechtliche Ermittlungen der südkoreanischen Nationalen Polizeibehörde (NPA). Dies wurde am Montag bei X gemeldet.
Demnach läuft eine Untersuchung wegen Beihilfe zur Verbreitung von pornografischen Deepfake-Bildern. Und genau wie bei den Ermittlungen in Frankreich werde Telegram beschuldigt, Anfragen von Behörden, die kriminelle Handlungen untersuchen, zu ignorieren.
Kooperation mit Frankreich
Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete am Montag, dass ein Verfahren gegen Telegram wegen Beihilfe zu Sexualstraftaten vorbereitet werde.
Der Leiter der südkoreanischen Polizeibehörde wird mit den Worten zitiert:
"Telegram stellt weder uns noch den Ermittlungsbehörden in anderen Ländern, einschliesslich der Vereinigten Staaten, Ermittlungsmaterial wie Kontoinformationen zur Verfügung." Seine Behörde ermittle trotzdem.
Brisant: Laut Bericht der Nachrichtenagentur wird die koreanische Polizeibehörde "mit den französischen Ermittlungsbehörden und verschiedenen internationalen Organisationen zusammenarbeiten", um Wege zu finden, in dem Fall gegen Telegram zu ermitteln. Trotz der mangelnden Kooperationsbereitschaft von Telegram seien bereits einige Verdächtige identifiziert worden.
In den vier Tagen vom 26. bis 29. August seien insgesamt 88 Meldungen über Deepfake-Sexualstraftaten eingegangen. Nach Angaben des Polizei-Chefs hat sich die Zahl der entsprechenden Fälle damit in nur einer Woche verzehnfacht. Von Januar bis Juli habe es 297 Meldungen oder durchschnittlich 9,5 pro Woche gegeben.
Telegram-Bots im Visier
Wie die Nachrichtenagentur Yonhap schreibt, ermittelt die Polizei derzeit gegen acht Telegram-Bots, die auf Abruf sexuell ausbeuterische Deepfake-Inhalte erstellten. Und man untersuche auch weitere Telegram-Kanäle, die sich mit Deepfake-Technologie beschäftigen. Und man habe 24 Verdächtige identifizieren können.
Deepfakes stünden in Südkorea seit einigen Monaten im Mittelpunkt einer Kontroverse, heisst es im Bericht. Erst letzte Woche habe Präsident Yoon Suk Yeol ein hartes Durchgreifen bei entsprechenden Erpressungsfällen gefordert. Die Verbreitung von Deepfakes habe in den letzten drei Jahren stark zugenommen, wobei Schülerinnen und Soldatinnen besonders betroffen seien.
Nach südkoreanischem Recht wird die Herstellung sexuell eindeutiger Deepfakes mit der Absicht, sie zu verbreiten, mit fünf Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe von 50 Millionen Won (37'500 US-Dollar) bestraft.
Es sei wahrscheinlich, dass auf die jüngste Festnahme von Pawel Durow in Frankreich ähnliche Ermittlungen in anderen Ländern folgen werden.
Durow unter Polizeiaufsicht
Der am 24. August in Frankreich festgenommene Telegram-Gründer ist nach mehreren Tagen Polizeihaft auf Kaution (5 Millionen Franken) freigelassen worden. Der 39-jährige russische Techmilliardär, der die französische Staatsbürgerschaft hat, darf das Land nicht verlassen und steht unter strikter Aufsicht der Polizei.
Bei den französischen Ermittlungen steht der Verdacht im Raum, Durow habe sich durch fehlendes Eingreifen bei Telegram und unzureichende Kooperation mit Behörden des Drogenhandels, der Geldwäsche, des Betrugs und mehrerer Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch mitschuldig gemacht.
Das Ermittlungsverfahren gegen Durow kann zu einem Strafprozess führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise gegen den Beschuldigten sehen. Andernfalls können sie das Verfahren auch einstellen.
Alleine für den Vorwurf, mit dem Chatdienst Beihilfe zu illegalen Transaktionen geleistet zu haben, drohten Durow bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von 500'000 Euro, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Telegram wehrt sich gegen die Vorwürfe. Alle geltenden Regeln würden eingehalten, hiess es vom Unternehmen. Durow «hat nichts zu verbergen». Ausserdem sei es «absurd», eine Plattform oder ihren Besitzer für den Missbrauch des Dienstes durch Dritte verantwortlich zu machen.
Laut Durow hat der 2013 gegründete Messengerdienst inzwischen fast eine Milliarde User und ist als App auf Hunderten Millionen Smartphones installiert.
Telegram wird bereits seit Längerem vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen Hassrede und andere illegale Aktivitäten vorzugehen. In der Kritik steht der Messenger-Dienst etwa als undurchsichtig organisierte Plattform, auf der sich Verbrecher, darunter Terroristen, Drogendealer und Kriegstreiber, viel leichter als in anderen sozialen Netzwerken frei organisieren können.
Das Mutterhaus, die Telegram Group, ist auf den Britischen Jungferninseln eingetragen, und eine der wichtigsten operativen Tochtergesellschaften ist in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten angesiedelt.
Dieser Artikel ist zuerst bei "Watson" erschienen.