Das sind die besten E-Autos für lange Fahrten
E-Autos und Langstreckenfahrten galten lange als Widerspruch. Doch ist das noch immer so? Der deutsche Automobilclub testete mehr als 80 E-Autos auf ihre Langstreckentauglichkeit.
Die Reichweite war lange die Achillesferse des E-Autos – und ist es teilweise immer noch. Doch mit jedem Jahr steigt nicht nur die durchschnittliche Reichweite neuer E-Modelle, auch die durchschnittliche Ladegeschwindigkeit legt zu. Der zweite Punkt geht oft vergessen, ist aber für jene Fahrerinnen und Fahrer von Bedeutung, die überwiegend Langstrecken fahren und häufig Schnellladestationen nutzen müssen.
Der deutsche Automobilclub ADAC hat deshalb bei seiner Bewertung der Langstreckentauglichkeit erstmals mitberücksichtigt, wie viel Reichweite durch 20 Minuten Laden an einer Schnellladesäule hinzugewonnen wird.
Die vom ADAC ermittelte Gesamtreichweite stellt somit die Strecke dar, welche mit einem Ladestopp unter realistischen Bedingungen erreicht wird. Berücksichtigt für den Test wurden daher nicht die utopischen WLTP-Reichweitenangaben der Hersteller, die nur unter Idealbedingungen erreicht werden, sondern realitätsnahe Reichweiten aus dem ADAC-Testverfahren bei gemischter Fahrweise (inner-, ausserorts und Autobahn). Zu beachten gilt: Wird vorwiegend bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn gefahren, reduzieren sich die Reichweiten entsprechend.
Die Messergebnisse aus dem ADAC-Test zeigen, welche Modelle mit einem Ladestopp am weitesten kommen und wie viele Kilometer die unterschiedlichen Elektroautos in 20 Minuten nachladen (Source: ADAC)
So wurde getestet
Bei den über 80 getesteten E-Auto-Modellen wurde der volle Akku jeweils auf 10 Prozent heruntergefahren. Danach wurden alle Autos an der gleichen 300 kW starken Schnellladesäule für 20 Minuten nachgeladen. Die Gesamtreichweite setzt sich also aus 90 Prozent der vom ADAC ermittelten Reichweite mit vollgeladenem Akku plus der Reichweite, welche im Idealfall in 20 Minuten nachgeladen werden kann, zusammen. "90 Prozent der Reichweite wird deshalb als Basis genommen, weil der Akku bis zum Ladestopp ja nie komplett leer gefahren wird", erklären die Tester.
Das Testszenario des Automobilclubs ist insofern realistisch, da erfahrene Langstreckenfahrer ihr E-Auto bevorzugt mit möglichst tiefem Akkustand an eine Schnellladesäule bewegen, um ihre Ladezeiten zu optimieren. Bekanntlich gilt: Je leerer der Akku, desto höher die Ladegeschwindigkeit. Im Alltag unterstützen aber noch längst nicht alle Schnellladestationen die maximalen Ladegeschwindigkeiten der besten Langstrecken-E-Autos.
Der Langstrecken-König
Spitzenreiter der langstreckentauglichsten E-Autos ist aktuell der Hyundai Ioniq 6 mit 77,4 kWh grossem Akku und Heckantrieb (ab 56'900 Franken), der es mit einem 20-minütigen Ladestopp auf eine Gesamtreichweite von 931 Kilometern bringt. Das Auto, das auch mit einem kleineren Akku für unter 48'000 Franken angeboten wird, sei «äusserst effizient» und könne «hervorragend schnell laden», schreiben die Tester.
Hyundai Ioniq 6: Laut ADAC perfekt für die Langstrecke. (Source: zVg)
Auf Platz zwei und drei finden sich die beiden Luxus-Karossen Lucid Air und BMW iX mit jeweils sehr grossen Akkus (rund 112 kWh), die aber weit weniger effizient fahren. Wenig überraschend dominieren Premium-Autos mit grossen Akkus und / oder sehr schnellem Laden das Ranking.
Interessant sei, dass es weder der Porsche Taycan noch einer der bisher getesteten Audi «als Top-Produkte deutscher Ingenieurskunst unter die Top 20 geschafft haben», schreiben die Tester. In den Top 20 finden sich dafür Modelle wie Polestar 2 Long Range (Rang 6), Hyundai Ioniq 5 (8), der wie der Spitzenreiter Ioniq 6 rasant lädt, und Tesla Model X (13).
Alle 83 getesteten E-Auto-Modelle in der Übersicht
Die Tabelle zeigt, welche E-Autos am besten für Langstreckenfahrten geeignet sind – und welche für Kurzstrecken die passende Wahl sind. (Source: ADAC)
Und wo ist Tesla?
"Die Modelle von Tesla – eigentlich der Inbegriff für langstreckentaugliche Elektroautos – definieren nicht mehr das Mass der Dinge und liegen bei den Messungen überraschenderweise nur im vorderen Mittelfeld", schreibt der ADAC. Nicht zu unterschätzen sei allerdings, dass Tesla mit dem europaweit ausgebauten Supercharger Netzwerk einen nicht zu unterschätzenden Trumpf in der Hand habe – sofern man sehr häufig an öffentlichen Schnellladern laden müsse. «Das Zusammenspiel aus Ladestoppplanung, Vorkonditionierung der Batterie und Verfügbarkeit der Supercharger klappt hervorragend und macht Langstrecken im Tesla selbst für E-Neulinge zum Kinderspiel.»
Viele E-Autos sind "langstreckentauglich"
Von den über 80 getesteten Elektroautos erhielten 13 das Prädikat "voll langstreckentauglich". Das heisst: Sie erreichen mit einem 20-minütigen Ladestopp eine Gesamtreichweite von mindestens 750 Kilometern. Weitere 21 Modelle sind «langstreckentauglich». Sie erreichen eine Gesamtreichweite von mindestens 600 Kilometern mit einem Ladestopp.
Ebenfalls 21 Modelle sind "langstreckentauglich, mit etwas mehr Ladezeit". Sie kommen mit einem 20-minütigen Ladestopp zwischen 500 und 600 km weit, was nicht ganz für die Bewertung "langstreckentauglich" reicht. Weiteren 14 Modellen bescheinigt der ADAC mit 400 bis 500 km eine "bedingte Langstreckentauglichkeit" und ebenfalls 14 Modelle kommen selbst mit einem 20-minütigen Ladestopp nicht auf 400 km Gesamtreichweite.
Mit Kleinwagen wird's auf Langstrecken mühsam
Kaum erstaunlich ist, dass kleine oder besonders günstige E-Autos mit geringer Batteriekapazität und niedrigen Ladeleistungen keine Langstrecken-Rekorde aufstellen: Das Schlusslicht im Test ist der für Kurzstrecken gebaute Fiat 500e. In der Basisversion mit der kleinsten wählbaren Akkugrösse (24 kWh) hat der Mini-Stromer eine realistische Reichweite von 139 km bei 10 Prozent Restakku. Mit 20 Minuten Schnellladen kommt man insgesamt 233 km weit.
Eindeutig nicht für die Langstrecke gebaut ist auch der für deutlich unter 20'000 Franken angebotene Dacia Spring. Der Kleinwagen hat eine realistische Reichweite von 178 km bzw. eine Gesamtreichweite von 252 km mit einem 20-minütigen Ladestopp.
Dieser Artikel ist zuerst bei "Watson" erschienen.