"Dumbphones"

Tastenhandys geben ein Comeback

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von Oliver Wietlisbach / Watson, gal

Tastenhandys sind wieder voll im Trend. Laut Digitec Galaxus stieg der Verkauf von "Dumbphones" um 66 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Grund dafür sei unter anderem die höhere Akkulaufzeit.

(Source: zVg)
(Source: zVg)

Weniger ist manchmal mehr: Nach den Vinyl-Schallplatten ist das gute alte Tastenhandy zurück. Dies sagt zumindest Digitec Galaxus, und der grösste Schweizer Onlinehändler muss es wissen. Der Verkauf sogenannter «Dumbphones» schnellte gegenüber dem Vorjahr um 66 Prozent hoch. Andere Online-Händler wie Brack bestätigen die Grössenordnung.

Für einfache Handys ohne Touchscreen, mit denen man nicht viel mehr als telefonieren, SMS schreiben und Musik hören kann, hat sich auch der Begriff Feature-Phone etabliert. Der ehemalige Handy-König Nokia reitet bereits seit mehreren Jahren auf der Retro-Welle und lanciert behutsam modernisierte Neuauflagen seiner Kult-Handys: zuletzt ein neues Nokia 3210.

"Dumme Telefone" sind jetzt "cool"


"Langweilige Geräte sind jetzt cool", beschrieb der britische "The Guardian" die angeblich neu entdeckte Liebe der Jugend zu simplen Handys ohne Schnickschnack.

Die Begründung?

"Sie fühlten sich ständig erreichbar und damit überwacht, permanent abgelenkt und unproduktiv durch Social-Media-Apps oder verfielen oft ins endlose Scrollen ihrer Feeds (Doomscrolling). Themen wie Tracking und Datenschutz stehen sie äusserst skeptisch gegenüber", schreibt der "Bayerischer Rundfunk".

Kurz: Viele Vertreter der Generation Z seien mit Smartphones aufgewachsen und der allgegenwärtigen Bildschirme überdrüssig. Vielleicht auch überdrüssig der ständigen Flut an schlechten News – Krieg in der Ukraine, Krieg in Nahost –, wie Internetsoziologe Stephan Humer im Interview mit der "NZZ" vermutet.

Doch ist es wirklich die Generation Z, also zwischen 1996 und 2010 Geborene, die ihr iPhone gegen ein minimalistisches Feature-Phone tauschen?

Die nicht repräsentative Verkaufsstatistik von Digitec Galaxus zeichnet ein anderes Bild: "Mehr als 50 Prozent der Geräte gehen an Kundschaft, die älter als 45 Jahre ist. Drei von vier Geräten gehen an Über-35-Jährige", schreibt der Onlinehändler. Weniger als zehn Prozent der Tastenhandys werden von unter 24-Jährigen gekauft.

Tastenhandy: Das Alter der Käuferinnen und Käufer

Nur sieben Prozent der Tastenhandys werden von unter 24-Jährigen gekauft. (Source: zVg)

Die treuste Kundschaft der Tastenhandys ist fortgeschrittenen Alters und männlich.

Tastenhandy: Das Geschlecht der Käuferinnen und Käufer

Laut Digitec Galaxus sind 70 Prozent der Tastenhandy-Käufer männlich. (Source: zVg)

Gut ein Viertel der Tastenhandy-Käufer ist über 55 Jahre alt. Dies widerspiegelt auch die Verkaufsstatistik des Onlinehändlers. Dort liegt in der Kategorie Feature-Phone ein einfaches Klapp-Handy des Senioren-Mobiltelefon-Herstellers Emporia auf Rang 1. Auf Platz 2 folgt mit dem Nokia 800 Tough ein besonders stabiles Handy. Das neue Nokia 3210 platziert sich auf Rang 3.

"Das liegt auch nahe, schliesslich sind die Geräte wegen der haptischen Tasten vor allem für ältere Kundinnen und Kunden einfacher zu bedienen", sagt Antonio Manduca von Galaxus. Zudem werde der Begriff "Seniorenhandy" im Online-Shop relativ häufig gesucht. Die Hersteller von Tastenhandys müssten also "ältere Semester ansprechen, aber auch praktisch für die Jugend sein".

Die Hersteller setzen daher weiterhin auf den Eingabestandard T9, sprich die bekannten Zeichen von A-Z und ä-ü direkt über den Zahlen auf dem Mobiltelefon.

Warum Tastenhandys auch noch gekauft werden

"Tastenhandys werden gern wegen der höheren Akkulaufzeit gekauft, um möglichst lange erreichbar zu sein. Dafür verzichten die Leute auch auf Apps – und das teilweise sehr bewusst», sagt Galaxus-Smartphone-Experte Jan Johannsen. «Ausserdem bieten sich die Handys aus Elternsicht als erstes Gerät für Kinder an, die bereits allein unterwegs sind, aber noch kein Smartphone haben sollen."

Hersteller preisen Feature-Phones auch für Festivals an: "Auf Festivals muss man sich mit dem günstigen Tastenhandy weniger Sorgen um Schaden oder Diebstahl machen", sagt Johannsen.

Ob das Tastenhandys in westlichen Ländern nur ein kurzfristiger Hype ist oder wie die Schallplatte zurückkommt, um zu bleiben, sei dahingestellt.

In anderen Weltregionen waren simple Handys gar nie weg. 2023 machte der Marktanteil von Feature-Phones weltweit etwa 18 Prozent des gesamten Mobiltelefonmarktes aus. Trotz der Dominanz von Smartphones gibt es weiterhin eine stabile Nachfrage, insbesondere in Regionen mit geringem Einkommen und für Nutzer, die einfache, robuste und kostengünstige Kommunikationsgeräte bevorzugen.

Bei uns ist der Marktanteil von Tastenhandys weit geringer, vermutlich liegt er ähnlich wie in den USA bei rund zwei Prozent. Sorgen machen müssen sich die Smartphone-Platzhirsche Apple und Samsung also nicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf "watson.ch". 

 

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