One-to-One mit Leif Lindner

So will der neue IFA-Chef die Messe verjüngen

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Als gebürtiger Berliner kennt Leif Lindner die IFA gut. Seit Oktober 2023 ist er CEO der IFA Management GmbH und somit für die Organisation der Messe verantwortlich. Er verrät, wie er die IFA verjüngen und einem breiteren Publikum zugänglich machen will.

Leif Lindner ist CEO der IFA Management GmbH. (Source: zVg)
Leif Lindner ist CEO der IFA Management GmbH. (Source: zVg)

Welchen Stellenwert hat die IFA für Sie als Berliner?

Leif Lindner: Ich bin in Westberlin geboren und mit der IFA aufgewachsen. Die IFA wurde damals noch von der ganzen Stadt gelebt. Dass ich nun die Gelegenheit habe, das 100-Jahre-Jubiläum zu organisieren, ist eine Ehre, über die ich mich sehr freue. Das Jubiläum ist aber nur der Startpunkt und eine tolle Chance, zu zeigen, dass wir für die kommenden Jahre bereit sind. Denn es gilt nun, die IFA so auszurichten, dass sie für die Zukunft gerüstet ist.

Sie haben die Funktion als Geschäftsführer der IFA Management GmbH im Oktober 2023 übernommen. Was haben Sie als Erstes in Angriff genommen?

Dadurch, dass die IFA-Planung vergangenes Jahr aufgrund der neuen Organisation erst Anfang 2023 starten konnte, hatte mein Vorgänger sehr wenig Zeit, die Messe auf die Beine zu stellen. Daher musste die IFA Management GmbH auf Mitarbeitende aus England zurückgreifen, wo die Eventbranche sehr schnelllebig ist. Es war darum klar, dass ich mit meinem Start als Geschäftsführer ein neues Team aufstellen musste, mit Mitarbeitenden, die vor Ort in Berlin sein können. Seit Anfang des Jahres sind fast 40 Prozent unserer rund 50 Mitarbeitenden neu dazugekommen. So ist ein diverses Team mit erfahrenen Experten, einigen alten IFA-Hasen und vielen neuen Gesichtern entstanden. Ausserdem haben wir ein neues Büro bezogen. Wir wollten unbedingt auch einen physischen Neustart. Welcher Ort wäre dafür passender als die Grenze zwischen Ost- und Westberlin am Checkpoint Charlie? Von dort aus werden wir die IFA für die kommenden Jahre umsetzen.

Und welchen Herausforderungen sind Sie seit Ihrem Start begegnet?

Da die vergangenen beiden IFA-Ausgaben nicht optimal gelaufen sind, ist der Druck vonseiten der Aussteller gross. Die Herausforderung bestand darin, ihnen zu zeigen, dass wir ihre Anliegen ernst nehmen. Nach der vergangenen IFA gab es eine Befragung unter allen Ausstellern, in der wir uns nach Verbesserungsvorschlägen erkundigten. Schliesslich machen wir die IFA nicht für uns, sondern für unsere Kunden - in diesem Fall die Aussteller. Zudem gab es noch immer einige Unklarheiten in der Zusammenarbeit mit der Messe Berlin. Sie hat seit September 2023 mit Mario Tobias ebenfalls einen neuen Geschäftsführer. Dadurch, dass er fast gleichzeitig mit mir angefangen hat, können wir die Vergangenheit hinter uns lassen und konzentrieren uns nun darauf, wie wir in Zukunft gemeinsam erfolgreich sein können. Immerhin ist die IFA, abgesehen von der ITB und der Grünen Woche, die grösste externe Veranstaltung, die die Messe Berlin beherbergt. Die dritte grosse Herausforderung lag in der Kommunikation. In meiner alten Funktion als Vice President CE bei Samsung habe ich immer kritisiert, dass die IFA nicht ausreichend mit ihren Kunden kommuniziert. Daher hatte ich mir von Anfang an vorgenommen, ehrlich, transparent und auf Augenhöhe mit Ausstellern, Besucherinnen und Besuchern und der Presse zu kommunizieren. 

Woran lag es, dass die vergangenen beiden IFA-Ausgaben ­etwas holprig liefen?

Es ist klar und nachvollziehbar, dass bei einem Neustart noch nicht alle Dinge rundlaufen, weder bei der Messe,  aber vor allem bei uns selbst. In den ersten Monaten im letzten Jahr war aus meiner Wahrnehmung als Aussenstehender noch nicht alles optimal. Jetzt wird die Zusammenarbeit mit der Messe Berlin immer besser. Bei unseren gemeinsamen Workshops hatte ich das Gefühl, dass wir alle an einem Strang ziehen.   

Sie sagten anfangs, dass früher ganz Berlin die IFA gelebt habe. Was hat sich verändert?

In den vergangenen 15 Jahren - seit dem Fernbleiben der Fernsehgesellschaften - war die IFA in erster Linie eine sehr professionell umgesetzte Technologie- und Consumer-Electronics-Show. Das muss nicht verkehrt sein. Die IFA ist die einzige Show in dieser Grösse, die sowohl Endkonsumenten und -konsumentinnen als auch Business-Kunden anspricht und deswegen eine hohe Bedeutung für die Branche und Händler hat. Das Gefühl von früher werden wir nicht wiederherstellen können. Mit dem Sommergarten haben wir aber einen Entertainment-Hub in der Mitte der Messe, der enorm viele Möglichkeiten bietet. Diese möchten wir dieses Jahr und in den kommenden Jahren nutzen. Die IFA soll ein zeitgemässer kultureller Event werden, der Technik mit Kultur und Entertainment verbindet.

Welche weiteren Ziele haben Sie sich als IFA-Chef gesetzt?

Mit der neuen Ausrichtung möchten wir nicht nur einen jungen frischen Event veranstalten, sondern auch neue Zielgruppen ansprechen und die IFA stärker als internationale Veranstaltung verankern. Wir müssen es schaffen, die Relevanz der IFA in Europa, Asien und den USA zu steigern. Ausserdem möchten wir die IFA über die Grenzen der Branche hinweg als Event etablieren, indem wir Schlüsselpersonen aus Industrie und Politik einladen, um mit ihnen relevante aktuelle Themen zu besprechen. Und: Die IFA soll sich stärker in die Stadt hineinbewegen. Jeder, der sich während der IFA in Berlin befindet, soll merken, dass hier eine ausserordentliche Veranstaltung stattfindet. Das werden wir nicht von heute auf morgen schaffen, aber wenn man die Politik, die Stadt selbst und wichtige lokale Organisationen ins Boot holt, werden wir einiges bewirken können.   

(Source: zVg)

IFA-Chef Leif Lindner mit GFU-Geschäftsführerin Sara Warneke an der IFA 2023. (Source: zVg)    

Es war zudem die Rede davon, den Start-up-Bereich IFA Next stärker zu positionieren und zu vergrössern. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Vergangenes Jahr lag der Schwerpunkt meines Vorgängers bezüglich IFA Next darauf, so viele Start-ups wie möglich anzulocken. Nun sieht unser Fokus etwas anders aus. Denn IFA Next steht nicht nur für Start-ups, sondern auch für Zukunfts- respektive Trend-Themen. Dazu zählen aktuell etwa künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Augmented Reality und Digital Health. Wir möchten darum Start-ups aus diesen für die Zukunft relevanten Bereichen als Aussteller gewinnen. Entscheidend ist für uns, dass für IFA-Teilnehmende interessanten Start-ups vor Ort sind, auch wenn es weniger sein sollten als im Vorjahr. Somit schärfen wir das Profil der IFA Next.

Es klingt so, als würde sich einiges an der IFA verändern. Was würden Sie IFA-Teilnehmenden entgegnen, die Angst haben, dass nun alles anders wird?

Wie heisst es so schön: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit." Auch hier ist offene ehrliche Kommunika­tion enorm wichtig, um den Leuten die Angst zu nehmen. Aber: Immer wenn sich etwas verändert, regt sich ein gewisser Widerstand. Das müssen wir vom Management-Team aushalten, ohne aber dabei die Stimmen der Stakeholder auszublenden oder konstruktive Kritik zu ignorieren.

Dieses Jahr feiert die IFA ihr 100-jähriges Bestehen. In Verbindung damit haben Sie im November die "IFA 100 Moments" angekündigt. Was kann man darunter verstehen?

Es sind immer gewisse Momente, die im Gedächtnis bleiben und einen Event zu etwas Besonderem machen. Wir wollen darum dieses Jahr mindestens 100 solcher Momente für IFA-Teilnehmende kreieren. Das können etwa Autogrammstunden oder Firmenjubiläen sein, die an der IFA gefeiert werden. Es können aber auch Momente im Vorfeld der Messe sein - etwa ein besonderer Pop-up-Store oder eine Pressekonferenz. Um diese Momente zu kreieren, spannen wir auch unsere Partner ein. Ausserdem gefällt uns die Analogie - 100 Jahre IFA, 100 Momente. Wir werden dazu bald eine eigene Website aufschalten und noch genauer zu den 100 Moments informieren.

Was sollten IFA-Teilnehmende dieses Jahr ausserdem nicht verpassen?

Für den Vorabend der IFA ist eine besondere Gala zum 100. Geburtstag geplant. Der Bundeskanzler hat bereits zugesagt, die Gala zu eröffnen. Zudem werden wir - wie anfangs erwähnt - den Sommergarten wiederbeleben. Dieses Jahr dürfen wir ihn dank einer Sondergenehmigung der Stadt fünf Tage lang bespielen, statt der üblichen drei Tage. Durch die Kooperation mit Eventim kreieren wir hier eines der grössten Festivals im Land mit musikalischen Top Acts. Im Bikini Berlin am Kurfürstendamm öffnet bereits im Juni die Ausstellung zu 100 Jahren IFA. Mit der Ausstellung wollen wir Lust und Neugierde für die diesjährige Messe wecken. Pünktlich zur IFA-Eröffnung transportieren wir die Kunstwerke zur Messe Berlin, damit man sie auch dort bestaunen kann.   

Welche Jubiläumsangebote wird es für Fachhandels­besucher geben? 

Der Fachhandel ist für unser Konzept enorm wichtig. Wir arbeiten deswegen sehr eng an Fachhandelskooperationen wie mit ElectronicPartner zusammen, um die Bedürfnisse der Händler im Auge zu behalten. Natürlich können wir nicht jedem Händler ein Hotelzimmer finanzieren, aber wir können beispielsweise bei der Buchung Unterstützung bieten. Ausserdem ist es unser Anspruch, Händlern an der IFA ein perfektes Erlebnis zu bieten. Es gibt darum einen Eingangsbereich nur für Handelsbesucher. Ausserdem werden wir Veranstaltungen, die für Händler besonders interessant sein könnten - wie etwa Keynotes und Panels - für sie hervorheben. Des Weiteren werden dieses Jahr deutlich mehr komplett neue Produkte unterschiedlicher Bereiche im Rahmen der IFA lanciert. Zudem bietet die IFA immer einen gewissen Blick über den Tellerrand und Inspiration für den eigenen Laden.

Sind Händler auch Teil Ihres Plans, internationaler zu ­werden?

Absolut. Wir möchten auch internationale Händler besser ansprechen und ihnen aufzeigen, weshalb die IFA für sie relevant ist. Leider haben wir hier ein gewisses Henne-Ei-Problem. Die Händler kommen nicht, weil es aus ihrer Sicht zu wenige ausländische Aussteller gibt, und die internationalen Aussteller kommen nicht, weil zu wenige Händler aus dem Ausland anwesend sind.    

(Source: zVg)

Das neue IFA-Logo ist schlichter und bunter. (Source: zVg)

Vor Kurzem hat die IFA ihr neues Logo vorgestellt. Warum war es Zeit für ein Rebranding?

Das neue Logo und die Website sind der Start der IFA-Verjüngungskur. Das Durchschnittsalter der IFA-Besucher lag bei über 50 Jahren. Es war deswegen klar, dass wir eine breitere Zielgruppe ansprechen müssen. Unser Ziel ist es, die bisherigen Kunden zu behalten, aber auch ein jüngeres Publikum für uns zu gewinnen. Durch das neue Logo wird für jeden sichtbar, dass sich bei der IFA etwas verändert. Für das Rebranding engagierten wir bewusst eine Agentur aus dem Modebereich mit Messekompetenz, die sich darauf spezialisiert hat, Marken zu verjüngen.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die IFA in den kommenden Jahren?

Das Programm so attraktiv zu halten, dass Aussteller und Besucher weiterhin vor Ort sein wollen. Wir müssen unbedingt am Nabel der Zeit sein und den ständigen Austausch mit Ausstellern pflegen. Wenn wir das schaffen, mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft der IFA.

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persönlich

Leif Lindner hat im Oktober 2023 die Funktion als CEO der IFA Management GmbH übernommen. Bevor er zur IFA Management GmbH wechselte, war Lindner über ein Jahrzehnt für Samsung Electronics tätig – zuletzt als Vizepräsident des Bereichs Consumer Electronics. Sein Weg bei Sam­sung umfasst eine Reihe von Meilensteinen, darunter die Umgestaltung der Bereiche TV/Audio, Video und Haushaltsgeräte. Dabei übertraf er stets die Verkaufsziele und baute die Marktpräsenz aus, was ihm den Ruf einer Koryphäe der Branche einbrachte. In seiner Freizeit schlägt Linders Herz für Rockmusik und Heavy Metal. Ausserdem geht er gerne ins Fitnessstudio oder zum Boxen.

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