Der Markt für interaktive Displays ist noch lange nicht ausgeschöpft
In Westeuropa ist der Markt für interaktive Displays im zweiten Halbjahr 2023 leicht zurückgegangen. Das Potenzial für die Geräte ist aber noch nicht ausgeschöpft. Experten von Ricoh, Samsung, Sharp NEC und Viewsonic sind sich einig, dass der Markt wachsen wird.
Der Markt für interaktive Displays schwächelt im zweiten Halbjahr 2023. In Westeuropa sank der Absatz von 102'000 ausgelieferten Displays im zweiten Quartal 2022 auf 96'000 Stück in der zweiten Jahreshälfte 2023. Wie Marktforscher Omdia festhält, entspricht das einem Rückgang von 5,3 Prozent. Trotz schrumpfender Absatzzahlen gibt sich Omdia zuversichtlich. In Westeuropa gebe es nach wie vor viele Wachstumschancen in den nächsten Jahren. Gerade in Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien müssten viele Schulen ihre Klassenzimmer digitalisieren. Auch grosse Unternehmen stehen laut Omdia erst am Anfang der Einführung interaktiver Displays für ihre Konferenzräume. So geht der Marktforscher davon aus, dass der jährliche Absatz zwischen 2023 und 2027 um 5 Prozent steigen wird.
Den Rückgang im vergangenen Halbjahr führt Omdia insbesondere auf "eine erhebliche Verlangsamung" der Nachfrage in Italien zurück. Gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr gingen die Auslieferungen um 27'000 Stück zurück. "Die Bemühungen der Regierung, die Ausgaben für Bildungstechnologie zu steigern, konnten bisher nicht richtig Fahrt aufnehmen", schreibt Omdia dazu. Ähnliche Probleme gebe es in Frankreich, wo der Markt zwar erhebliches Potenzial biete, jedoch der nötige Antrieb fehle.
Der Marktforscher zeigt zudem auf, wie hoch der Absatz in einigen westeuropäischen Ländern zwischen 2020 und 2023 war. Klarer Spitzenreiter ist hier Deutschland mit der vergleichsweise grössten Population. Hier wurden rund 280'000 interaktive Displays verkauft. Nach Deutschland folgt das Vereinigte Königreich mit einem Absatz von rund 240'000 Displays. Italien, mit einer geringeren Einwohnerzahl als Frankreich, folgt an dritter Stelle mit 160'000 verkauften Displays. Auf den Plätzen vier und fünf liegen Frankreich (135'000 verkaufte Displays) respektive Spanien (rund 90'000 Stück).
"Insbesondere Frankreich muss als eine grosse Chance für Anbieter interaktiver Displays angesehen werden, da die Anzahl der installierten Geräte im Vergleich zu Grossbritannien, das hinsichtlich der Grösse des adressierbaren Marktes ähnlich ist, stark variiert", heisst es dazu. Allerdings mangelt es in französischen Bildungseinrichtungen - wie anfangs auch in Deutschland - häufig an der nötigen Infrastruktur und am technischen Know-how der Mitarbeitenden im Bildungswesen, wie Omdia erklärt. In Deutschland hätten etwa häufig Internetanschlüsse gefehlt, was den Nutzen interaktiver Displays stark einschränke.
Grosses Potenzial am Schweizer Markt
Und wie steht es um interaktive Displays und digitale Whiteboards in der Schweiz? Auch hier sehen Experten aus der Branche grosses Potenzial im Bildungs- und Unternehmensumfeld sowie bei Behörden. "Digitale Whiteboards finden verstärkt Anwendung in Unternehmen und Schulen, da sowohl die jüngeren Nutzerinnen und Nutzer als auch die Entscheidungsträger einen zunehmenden Bedarf signalisieren", sagt Daniel Périsset, Head of Display & Storage bei Samsung Schweiz. Das grösste Potenzial sieht er aber im Retail, wo interaktive Displays vermehrt in kleineren Zollgrössen rund um die Regale eingesetzt werden.
Daniel Périsset, Head of Display & Storage bei Samsung Schweiz. (Source: zVg)
Georg Blunschi, Regional Sales Manager Switzerland bei Sharp NEC, sieht das grösste Marktpotenzial nicht in einer spezifischen Branche, sondern im Coaching der Anwenderinnen und Anwender zur effizienten Nutzung der Geräte sowie in der Einbindung der Lösungen in bestehende Infrastrukturen. "Oft haben Nutzer in Corporate- oder Higher-Education-Umgebungen bereits interaktive Technologien erworben, nutzen diese aber aufgrund ihrer Komplexität nicht - oder stellen sogar wieder auf Non-Touch um", erklärt er. Die Anwendung der Geräte sollte laut Blunschi jener eines Tablets oder Handys ähneln, damit der Umstellungsaufwand für Nutzerinnen und Nutzer gering ist. Der Experte von Sharp NEC weist zudem auf den steigenden Bedarf an Sicherheit der Technik hin. "Denn wenn Geräte zunehmend auch im Internet of Things verbunden sind und Anwender frei über sie verfügen können, steigt auch die Zahl der Einfallstore für Cyberkriminelle."
Christian Funke, Business Development Manager Communication Services bei Ricoh Schweiz, und Georg Blunschi, Regional Sales Manager Switzerland bei Sharp NEC. (v.l., Source: zVg)
Auch Christian Funke, Business Development Manager Communication Services bei Ricoh Schweiz, weist auf die Wichtigkeit der Gerätesicherheit hin. Er sagt zudem: "Im Bereich Software sind stetige Weiterentwicklungen zu erwarten. Die Tendenz, die wir sehen, ist, dass sich die interaktiven Displays gegenüber den reinen digitalen Whiteboards durchsetzen werden. Grundsätzlich verfügen alle interaktiven Displays auch über Whiteboard-Funktionen." Bezüglich Hardware seien heutige Displays bereits sehr ausgereift und erfüllten die Anforderungen der Anwenderinnen und Anwender. "Wir erwarten im Hardwarebereich daher keine grossen Entwicklungen." Nachhaltigkeit ist laut Funke hingegen ein wichtiges Thema. Denn die Nachfrage nach energieeffizienten Displays und Whiteboards steige.
Zum Thema Software ergänzt Jürgen Bösl, Sales Director Switzerland bei Viewsonic: "Wir sehen ja, dass sich die Schweiz in den vergangenen Jahren immer mehr für Cloud-Dienste geöffnet hat, und dies sehen wir gegenwärtig sehr stark im Bereich Education. Hier ist das Interesse an Software, die plattform- und dateiübergreifend arbeitet, sehr hoch." Im klassischen B2B-Umfeld - sprich bei Unternehmen und Behörden - verändern sich laut Bösl die bisher oft proprietären Videokonferenzsysteme. Sie seien oft stark eingeschränkt gewesen und hätten den Nutzern und Nutzerinnen Kompromisse abverlangt. "Nun geht der Trend eindeutig zu offenen Systemen, auf die von überall aus mit unterschiedlicher Hard- und Software zugegriffen werden kann. Ein wichtiger Teilaspekt ist hier das Phänomen Bring your own Meeting (BYOM), das in den vergangenen Jahren aus dem bekannten BYOD (Bring your own Device) entstanden ist", sagt er.
Die Zukunft bringt mehr KI und neue Branchen
Auf die Frage, wie sich der hiesige Markt kurz- bis mittelfristig entwickeln werde, antwortet Bösl: "Im Bildungsbereich erwarte ich nicht nur eine positive Entwicklung durch Neugeschäft beziehungsweise durch die Beschaffung kompletter Systeme, sondern auch durch die Erweiterung bereits bestehender Systeme - auch von Mitbewerbern - durch Software, Slot-in-PCs oder Zubehör wie Sensoren, Mikrofone, Kameras und Lautsprecher."
Jürgen Bösl, Sales Director Switzerland bei Viewsonic. (Source: zVg)
Christian Funke von Ricoh zeigt sich davon überzeugt, dass der Markt weiterhin wachsen wird. "In den vergangenen Jahren sind die Preise für Displays stark gesunken, sodass es heute keine grossen Investitionen mehr braucht, um beispielsweise ein 86-Zoll-Display zu kaufen", sagt er. Die Anwendungsbereiche für die Systeme werden sich laut Funke zudem ausweiten und auch in anderen Branchen Fuss fassen. Des Weiteren werde die Integration von KI in die Software zunehmen, um etwa Spracherkennung, automatische Texterkennung und intelligente Analysen zu ermöglichen.
"Wir werden sehen, dass Applikationen vertikalen Märkten stärker angepasst werden", sagt Georg Blunschi von Sharp NEC zur Marktentwicklung. Displays für den Einsatz an Hochschulen würden etwa mehr Verbindungsmöglichkeiten zu anderen Technologien via HDMI-Ausgang erhalten und Lösungen für Corporate-Umgebungen noch höhere Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen. "Für den öffentlichen Raum sehen wir künftig den Bedarf nach IGB- und PCAP-Displays steigen. Diese lassen sich besonders leicht reinigen, sind ähnlich wie ein Handy zu handhaben und sind auch als Tischvariante nutzbar", ergänzt er.
Und Daniel Périsset von Samsung sagt: "Interaktive Displays und digitale Whiteboards werden immer stärker in unseren Alltag integriert - sei es für Take-away-Bestellungen oder Workshops."
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