Kritik an Apples Teilekopplung

Update: Darum bewertet iFixit das iPhone 14 nicht mehr als leicht reparierbar

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von René Jaun und Daniel Schurter, watson.ch / kfi

Apple hat das Innere des 2022 erschienenen iPhone 14 neu gestaltet. Dadurch sollte es leichter reparierbar werden. Nun stellt sich jedoch heraus, dass Apple per Software den Komponentenaustausch erschwert.

Das iPhone 14 und das iPhone 14 Plus. (Source: Screenshot https://www.apple.com/apple-events/event-stream)
Das iPhone 14 und das iPhone 14 Plus. (Source: Screenshot https://www.apple.com/apple-events/event-stream)

Update vom 21.9.2023: Vor einem Jahr noch hat sich der Reparaturblog iFixit voll des Lobes gezeigt über Apples iPhone 14 und dessen offenbar stark erleichterte Reparierbarkeit. Doch inzwischen ist davon nicht mehr viel übrig – im Gegenteil. Man habe sich entschieden, die Bewertung des Apple-Smartphones neu vorzunehmen, gibt iFixit bekannt. Demnach erhält das Gerät auf dem Reparatur-Index nicht mehr 7, sondern noch 4 von 10 möglichen Punkten.

Grund für den Gesinnungswandel ist Apples sogenannte Teilekopplung. Dabei handelt es sich um einen softwareseitigen Sicherheitsmechanismus, mit welchem Apple den Einbau nicht autorisierter Komponenten zu unterbinden versucht. "Die meisten grösseren Reparaturen an modernen iPhones erfordern eine Genehmigung von Apple", erklärt iFixit. "Man muss Teile über das System kaufen und die Reparatur dann über ein Chat-System bestätigen lassen." Tue man dies nicht, erscheinen auf dem reparierten Gerät "nervige Warnhinweise" oder Funktionen werden eingeschränkt.

Apple dehnte über die letzten Jahre diese Teilekopplung auf immer mehr Komponenten aus. Insbesondere kleine, unabhängige Reparaturdienstleister werden laut dem Blog dadurch in ihrem Angebot eingeschränkt. "Die Werkstätten sammeln Teile aus kaputten Geräten. Sie verwenden Teile von Drittanbietern. Sie sollten Apple nicht die persönlichen Daten ihrer Kunden übermitteln oder fünfjährigen Audits zustimmen müssen, nur um Reparaturen durchzuführen", schreibt iFixit.

Man sei zwar nach wie vor begeistert von der innovativen, reparaturfreundlichen Architektur des iPhone 14, stellt iFixit klar. Neu gewichtet das Portal die softwareseitigen Einschränkungen jedoch höher, die insbesondere Privatpersonen und unabhängige Reparaturwerkstätten bei der Reparatur des Geräts zu spüren bekommen.

 

Originalmeldung vom 22.9.2022:

Überraschung beim iPhone 14: Es ist leicht zu reparieren

Die unabhängigen Smartphone-Reparatur-Experten von iFixit sind voll des Lobes für das iPhone 14. Und dies wegen einer massiven Design-Änderung, die auch den erfahrensten Testern verborgen blieb. Dank der kompletten Neugestaltung der Innereien ist die Reparaturfähigkeit massiv gestiegen. Dieser Beitrag beantwortet die wichtigsten Fragen.

 

Was ist passiert?

Mit dem günstigsten neuen iPhone-Modell führt Apple eine innovative Neuerung ein, von der niemand wusste. Äusserlich sieht das iPhone 14 aus wie das iPhone 13 und es bietet im Vergleich zum iPhone 14 Pro und Pro Max keine bahnbrechenden neuen Hardware-Funktionen, weshalb es kritische Reviewer als "iPhone 13S" bezeichnen. So konstatierte zum Beispiel "The Verge":

Das iPhone 13, das vor einem Jahr auf den Markt kam und von Apple immer noch verkauft wird, ist fast identisch mit dem 14er.

(Source: "The Verge")

 

Aber das sei gar nicht wahr, betont iFixit – auch wenn dies kaum jemand wissen konnte. Apple habe "das geheime Redesign" während seiner Keynote nicht erwähnt. Tatsache ist: Apple hat im Inneren des neuen Basismodells massiv "aufgeräumt", wie es in dem zum Verkaufsstart publizierten Teardown-Bericht von iFixit heisst:

Vergiss Satelliten-SOS und die grössere Kamera, die Schlagzeile ist diese: Apple hat das Innenleben des iPhone 14 komplett umgestaltet, um es leichter reparieren zu können. Es ist von aussen überhaupt nicht sichtbar, aber das ist eine grosse Sache. Es ist die wichtigste Designänderung beim iPhone seit Langem.

Darum erhält das iPhone 14 eine aussergewöhnlich gute Bewertung durch die Reparaturspezialisten:

(Source: iFixit)

 

In ihrem Bericht fragen die Reparaturexperten:

Warum prahlte Tim Cook nicht mit der Reparierbarkeit? Wir hatten keine Ahnung, dass dies kommen würde, weil Apple es nicht erwähnt hat – überhaupt nicht. Aber das hätten sie tun sollen.

Und an die Adresse potenzieller Käuferinnen und Käufer gerichtet, streichen die iFixit-Fachleute hervor, dass die teureren neuen Modelle, nämlich das iPhone 14 Pro und das iPhone Pro Max, noch "die alte Architektur" hätten. Wer ein neues iPhone haben wolle, das wirklich lange halte, solle über den Kauf des Einsteigermodells nachdenken.

 

Die Zerlegung des iPhone 14 im Video:

 

(Source: iFixit / Youtube)

 

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Aus dem Teardown-Bericht von iFixit geht hervor:

  • Das iPhone 14 und das iPhone 14 Plus sind die ersten iPhone-Modelle seit dem iPhone 4S (2011), die von der Geräte-Rückseite geöffnet werden können.

  • Sie lassen sich von vorne und hinten öffnen.

 

Das iPhone 14 sei als "wunderschöner Schmetterling" wiedergeboren worden, zeigen sich die Zerlegungs-Fachleute begeistert. Denn es besitze erstmals einen Mittelrahmen, wodurch es sowohl von vorne als auch von hinten geöffnet werden könne. (Source: iFixit)

 

  • Das iPhone 14 besteht im Wesentlichen aus dem Display, der Rückseite aus Glas und einem mittleren Rahmen, der die meisten Komponenten beherbergt. Dieser Alu-Mittelrahmen verleihe dem Gerät eine grosse Stabilität.

  • Dank des neuen Aufbaus sei es viel leichter, den Bildschirm und die Rückseite (aus Spezialglas) zu ersetzen.

  • Das Display und die Glasplatte seien nur mit zwei Schrauben und weiteren Steckverbindungen gesichert.

  • Zudem werde (in den asiatischen Fabriken, wo die iPhones zusammengebaut werden) weniger aggressiver Klebstoff verwendet, sodass das iPhone 14 leichter geöffnet werden könne.

  • Das neue interne Design führe zu deutlich niedrigeren Reparaturkosten von 169 bis 199 US-Dollar für iPhone-14- und iPhone-14 Plus-Modelle mit kaputtem Rückglas.

 

Apple ist zurück ans Zeichenbrett gegangen und hat das Innenleben des iPhones überarbeitet, um die Reparatur zu erleichtern. Das Upgrade ist so nahtlos, dass es selbst die besten Tech-Reviewer der Welt nicht bemerkt haben.

(Source: iFixit)

 

Warum ist das so aussergewöhnlich?

Die "Designverbesserung" sei ein grosser Gewinn, konstatieren die iFixit-Reparatur-Experten in ihrem Bericht:

Diese Änderungen am iPhone werden dazu beitragen, dass es länger hält und die Auswirkungen auf den Planeten insgesamt reduziert werden. Mit etwas Glück werden auch andere Hersteller diesem Beispiel folgen.

Apples grösster Konkurrent unter den Smartphone-Herstellern, Samsung, habe das interne Design seiner Mobilgeräte seit 2015 nicht mehr grundlegend geändert. Das neue iPhone-Design stehe in deutlichem Gegensatz zum Rest der Smartphone-Branche. Fast alle Android-Geräte liessen sich auf der Rückseite öffnen, so iFixit. Seit dem Galaxy S6 habe "der Erzfeind" eine fest verklebte Rückseite.

 

Jeder Reparaturtechniker wird dir sagen, dass der Austausch des Bildschirms beim Galaxy viel schwieriger ist als beim iPhone. Man muss die Rückwand vom Leim lösen und sich dann systematisch durch das ganze Telefon arbeiten, um die Komponenten zu entfernen. Wenn das ganze Gerät im Wesentlichen zerlegt ist, bleibt nur noch der Bildschirm übrig. Dann musst du dein Handy komplett zusammenbauen! Das ist ein ganz schöner Aufwand, wenn man bedenkt, dass Bildschirme die am häufigsten zu reparierende Komponente sind.

(Source: iFixit.com)

 

Beim bisherigen Hardware-Design des iPhones habe Apple den schnellen Service für zwei wichtige Komponenten optimiert: den Bildschirm und die Batterie. Der Nachteil dieses für die Vorderseite optimierten Designs sei natürlich, dass es schwierig sei, die Rückseite auszutauschen.

 

Wenn der Austausch des Displays bei einem Galaxy-Handy schwierig ist, dann ist der Wechsel der Glasrückseite bei einem iPhone X (oder 11, oder 12, oder 13) mörderisch.

(Source: iFixit)

 

Der Klebstoff, der das Glas auf der iPhone-Rückseite festhalte, sei so stark, dass keine der üblichen Techniken wie Aufhebeln, Hitze oder Chemikalien etwas ausrichten könne. Reparaturwerkstätten setzten eine Reihe aggressiver Zertrümmerungs- und Schabetechniken ein, um das Glas zu entfernen. Doch damit ist nun Schluss:

Das Glas auf der Rückseite ist einfach mit zwei Schrauben und einem einzigen Anschluss befestigt. Apple hat anscheinend einen etwas weniger aggressiven Klebstoff verwendet, was das Öffnen etwas einfacher macht als bei früheren Displays. Ein weiterer Vorteil ist, dass man durch das Entfernen der gleichen Schrauben wie bei der Glasrückseite auch an das Display gelangt. Nur zwei Schrauben, und sowohl das Display als auch die Glasrückseite sind sofort zugänglich. Unglaublich.

Laut Bericht des amerikanischen Techblogs Macrumors, der einen Blick in eine interne Dokumentation werfen konnte, kann nun selbst der Mittelrahmen in Apple-Stores und bei autorisierten Service-Providern ersetzt werden. Dass es den iPhone-Entwicklern gelungen sei, trotz des neuen Hardware-Designs eine hohe Widerstandsfähigkeit zu erreichen, sei eine unglaubliche technische Leistung:

Wenn du ein iPhone 13 fallen lässt, fängt der Metallrahmen den Stoss ab und überträgt und verteilt die Kraft auf die eingeklebte Batterie und das fest verklebte Rückglas. Das iPhone 14 stellt sich der gleichen Herausforderung, erreicht die erforderliche Verwindungssteife aber auf eine ganz andere Weise. Ein neuer Mittelrahmen sitzt zwischen dem Display und dem Inneren des Handys und übernimmt die Hauptlast der Kraftverteilung auf den Rahmen und die Batterie.

 

Und der Haken?

Laut Macumors weist die (interne) Dokumentation von Apple darauf hin, dass ein spezieller Software-Kalibrierungsprozess erforderlich sei, nachdem das Rückglas auf dem iPhone 14 oder iPhone 14 Plus ausgetauscht wurde.

Es ist unklar, was passiert, wenn die Systemkonfiguration nicht abgeschlossen wird, aber die Möglichkeiten könnten von einer auf dem Gerät angezeigten Nicht-Originalteil-Warnung bis hin zu Problemen mit dem kabellosen Laden, dem LED-Kamerablitz und/oder dem nach hinten gerichteten Mikrofon reichen.

(Source: Macrumors.com)

 

iFixit kritisiert, Apple setze "seinen feindseligen Weg" fort, einzelne Bestandteile (wie den Bildschirm oder nun die Glasrückseite) mit dem iPhone selbst zu koppeln:

Man sollte wirklich nicht die Erlaubnis von Apple brauchen, um eine Glasscheibe auf einem Handy zu installieren, das man bereits besitzt.

(Source: iFixit)

 

Der Bericht spricht sich klar gegen diese Software-Aktivierung, respektive die Sperren, aus. Apple wolle damit den nicht-autorisierten Zwischenhandel mit Ersatzteilen behindern. Solche Sperren seien frustrierend und letztlich sinnlos – der iPhone-Hersteller werde niemals alle Reparaturen kontrollieren können, die an seinen Produkten vorgenommen werden, ganz egal, wie sehr sich das Unternehmen bemühe.

 

Was ist mit den Pro-Modellen los?

iFixit hat auch ein Teardown-Video zum iPhone 14 Pro Max veröffentlicht. Zuvor hatten schon andere "Schrauber" gezeigt, dass sich beide neuen Pro-Modelle wie gewohnt von der Vorderseite öffnen lassen, das interne Redesign erstreckt sich also nicht auf Apples neue Flaggschiffe. Leider würden diese Pro-Modelle von dem "langweiligeren" iPhone 14 mit seiner heimlich verbesserten Reparierbarkeit in den Schatten gestellt, bestätigt nun iFixit:

Da das 14 Pro und das Pro Max weiterhin auf der Konstruktion des iPhone 13 basieren, ist auch ihre Bewertung in der Vergangenheit verhaftet.

Das Resultat: nur 6 von maximal 10 Punkten.

 

Aber warum sollte Apple seine Produktpalette aufspalten und zwei völlig unterschiedliche interne Architekturen anbieten? iFixit hat dazu "ein paar Theorien", aber dabei handle es sich um reine Spekulation, wie betont wird.

Vermutung 1: Zwei verschiedene Teams haben die iPhones entwickelt und nicht miteinander gesprochen. Apple sei zwar für "seine internen Firewalls bekannt", aber das erscheine doch ziemlich unwahrscheinlich.

Vermutung 2: Apple wollte die Produktionsrisiken pro Modell begrenzen und habe daher entschieden, beim 14 Pro und Pro Max die Hardware-Änderungen auf neue Kameras und die "dynamische Insel" (Dynamic Island) zu konzentrieren. Im nächsten Jahr könnten die Änderungen vereinheitlicht und auch die Pro-Modelle auf die fortschrittlichere Architektur des Basismodells umgestellt werden.

Was auch immer Apples Beweggründe waren, es sei faszinierend, dass in der zweistündigen Ankündigung der neuen iPhones überhaupt nicht darüber gesprochen wurde.

 

Zynischerweise könnte man vermuten, dass Apples Marketing-Profis vermeiden wollten, das Basismodell 14 auf eine Weise innovativ aussehen zu lassen, wie es bei den teuren Flaggschiffen Pro und Pro Max nicht der Fall ist. Das Fazit der US-Reparatur-Fachleute:

Bleibt zu hoffen, dass das fortschrittliche Design zum Standard für die gesamte iPhone-15-Reihe wird.

 

Das iPhone sei nach wie vor das profitabelste Produkt der Welt, so iFixit. Aber Apple habe eine Reihe von Hindernissen für unabhängige Reparaturen errichtet.

 

Immerhin gebe es Anzeichen dafür, dass sich die Situation langsam verbessere. Der iPhone-Hersteller stelle zum ersten Mal Handbücher und Ersatzteile frei zur Verfügung. Diese seien für das 14er-Modell zwar noch nicht online verfügbar, aber man gehe davon aus, dass Apple dies bald tue.

 

Welche Reparatur-Noten gab iFixit früheren iPhone-Modellen?

Der Blick auf "ifixit.com" zeigt, dass die unabhängigen Experten die Reparaturfähigkeit der iPhones in den letzten fünf Jahren durchs Band etwas schlechter bewerteten.

  • iPhone 13 Pro (2021) – Note 6

  • iPhone 12 Pro Max (2020) – Note 6

  • iPhone 11 (2019) – Note 6

  • iPhone XR (2018) – Note 6

  • iPhone X (2017) – Note 6

  • iPhone 8 (2017) – Note 6

  • iPhone 7 (2016) – Note 7

  • iPhone SE (2016) – Note 6

  • iPhone 6S (2015) – Note 6

PS: Es gibt auch neuere Android-Smartphones mit einer noch besseren Reparierbarkeits-Bewertung bei iFixit von 9 Punkten (Shift 6m) oder sogar 10 (Fairphone 3 und 4).

 

Wie bewertet iFixit die Reparaturfähigkeit von Smartphones?

Bei iFixit nehmen sich erfahrene Fachleute jeweils die neusten Smartphone-Modelle vor und zerlegen sie vor laufender Kamera, auf Englisch "Teardown" genannt.

"Wir alle wollen, dass unsere Geräte einfacher zu reparieren sind – denn eine gute Reparaturfähigkeit ist gleichbedeutend mit Langlebigkeit", argumentieren die Fachleute.

Nach jedem Teardown eines Smartphones bewerten wir dessen Reparaturfähigkeit. Eine Punktzahl von null bedeutet, dass es nicht reparierbar ist, und 10 ist am einfachsten zu reparieren.

Zunächst wird geprüft, wie einfach sich das Gehäuse öffnen lässt, ob proprietäre Schrauben verwendet wurden oder sogar Klebstoffe. Dann begutachten die Fachleute die Hardware-Innereien und prüfen den modulartigen Aufbau. Leicht austauschbare Komponenten sind Voraussetzung für eine gute Benotung. Um "eine perfekte 10" zu erreichen, müsse das Gerät aber auch über ein kostenloses, öffentlich zugängliches Handbuch des Herstellers verfügen, wie es heisst.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei Watson.ch.

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