Warum der neue Hama-Technics-Chef am liebsten im Showroom arbeitet
Rocco Rossetti ist seit Anfang 2022 Geschäftsführer von Hama Technics. Der ehemalige Melectronics-Chef sagt, weshalb er vom Grosskonzern zum KMU gewechselt ist. Zudem verrät er, wie er sich mit den rund 18'000 Produkten im Sortiment vertraut macht und warum Hama auch für Start-ups interessant ist.
Sie sind seit Anfang Januar Geschäftsführer von Hama Technics. Was haben Sie als Erstes in Angriff genommen?
Rocco Rossetti: Mein Motto war: kennenlernen und verstehen. In den ersten Tagen und Wochen lernte ich meine neuen Mitarbeitenden, unsere Hama-Kundinnen und -Kunden, unsere Lieferanten und natürlich auch unseren Hauptsitz in Deutschland kennen. Keine einfache Aufgabe, da Anfang Januar noch Homeoffice-Pflicht herrschte und die Büroräumlichkeiten vorwiegend leer waren. An meinem ersten Arbeitstag waren wir daher nur zu zweit im Büro. Glücklicherweise fand ich in Volketswil und in Monheim (D) ein sehr offenes Team vor. Auch die Kundinnen und Kunden und unsere Lieferanten waren sofort zu einem Kennenlernen per Videocall bereit. Natürlich musste ich mich auch mit dem Sortiment vertraut machen. Der Musterraum, in dem wir uns gerade befinden, wurde zu meiner liebsten Arbeitsstätte. Alle Meetings und Einführungen verlegten wir hierher, damit ich mich so schnell wie möglich mit unseren 18'000 Produkten vertraut machen konnte.
18'000 Produkte?
Ja, ungefähr so viele Produkte kann Hama der Kundschaft anbieten, und rund 2500 Neuheiten pro Jahr. Unsere Sortimentsvielfalt ist riesig und enorm spannend. Den Satz: "Ich wusste gar nicht, dass Hama das auch anbietet", habe ich in meinen ersten Wochen sehr oft gehört und habe es mir auch selbst immer wieder sagen müssen. Gaming-Zubehör und Schulranzen sind beispielsweise zwei Bereiche, für die wir in der Schweiz noch zu wenig bekannt sind. Für mich wird es wohl noch ein Weilchen dauern, bis ich das ganze Sortiment so gut kenne, dass ich über jedes Produkt detailliert Bescheid weiss, aber ich lerne jeden Tag dazu und die Faszination für unsere Produkte macht es mir einfach.
Welchen Herausforderungen sind Sie, abgesehen vom Kennenlernen so vieler Produkte, noch begegnet?
Ich hatte das Glück, in den ersten zwei Wochen von meinem Vorgänger Mike Guler persönlich sehr gut eingearbeitet zu werden, was extrem wertvoll war. Ein solches Einarbeiten hatte ich in meinen 30 Jahren Berufserfahrung noch nie. Nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht besteht eine der grössten Herausforderungen darin, unsere Kunden und Kundinnen zu motivieren, nach langer Zeit zuhause wieder zu uns in den Showroom zu kommen. In den vergangenen zwei Jahren wurde klar, dass vieles auch per Videokonferenz möglich ist. Um ein einzelnes Produkt zu zeigen und weitere Punkte zum Standardsortiment zu klären, reicht ein Videocall. Das werden wir auch weiterhin so anbieten. Will man aber die Firma und ihre Vielfalt vorstellen und dem Ganzen auch eine persönliche Note geben, geht das nicht über den Bildschirm. Nach über zwei Jahren Pandemie und Restriktionen gehen die Leute durchaus gerne wieder raus und schätzen die Abwechslung, Kontakte vor Ort zu pflegen, aber der Aufhänger, um sie einzuladen, muss heute ein anderer sein als vor der Pandemie.
Worauf legen Sie jetzt den Fokus?
Ich will die Kunden-Convenience vorantreiben und Hama als Smart-Solution-Anbieter bekannter machen. Smart Solution heisst, dass die Kundschaft bei uns ein Sortiment von 18 000 Artikeln antrifft, die sie alle über eine einzige Organisation bestellen kann - wir bieten Zubehör für fast jeden Bereich der Consumer Electronics. Somit sind wir gerade in Zeiten der Konsolidierung und der Vereinfachung der Lieferanten-Kunden-Interaktion der richtige Partner. Zudem möchte ich unsere Dienstleistungen den Kundinnen und Kunden gegenüber hervorheben. Bei Hama passiert sehr viel im Hintergrund, das uns als starken Partner auszeichnet. Wenn etwa ein neues Smartphone in den Handel kommt, stellen wir sicher, dass unsere Partner bereits am Tag vorher das passende Zubehör dazu erhalten. Zudem machen wir eine Vielzahl von Qualitätskontrollen und Produkttests im eigenen Labor - vor dem Versand, nach Erhalt der Produkte und nochmals vor der Auslieferung an unsere Partner. Wir verbessern unsere Produkte stetig. Ich staune selbst immer wieder, wie schnell und professionell diese Verbesserungen implementiert werden. Und natürlich möchte ich auch mich selbst als Mitarbeiter der Firma Hama bekannter machen. Viele Leute aus der Branche kennen mich von meiner Zeit bei Melectronics, wissen aber noch nicht, weshalb meine Leidenschaft für Produkte mich zu Hama geführt hat.
Weshalb sind Sie denn jetzt bei Hama?
Ich wollte weg von den vielen Meetings, hin in die operative Umsetzung und vor allem wieder näher zur Kundschaft - erfahren, wo die Herausforderungen sind und wie wir am besten unterstützen können. Ich blicke unter anderem auf 19 Jahre Migros-Erfahrung zurück. In dieser Zeit durchlief ich fast jede Abteilung in irgendeiner Form - angefangen als Assistent im Near-/Non-Food-Bereich. Über weitere Funktionen in vielen spannenden Bereichen durfte ich zuletzt fünf Jahre lang Melectronics leiten. Mein Ziel ist es nun, das Know-how, das ich bei einem Grosskonzern gesammelt habe, auf ein KMU zu adaptieren und meine Erfahrung ein- und meine Ideen direkt selbst umzusetzen - nahe am Puls unserer Kundschaft. Ich bin jetzt wieder viel mehr mit dem Auto unterwegs zu unseren Partnern, besuche Filialen und bespreche mich mit den Mitarbeitenden, den Einkäuferinnen und Einkäufern und der Geschäftsleitung. Dafür hatte ich früher viel zu wenig Zeit. Meine berufliche Karriere begann ich im Gastgewerbe in einem familiären KMU. Ich wollte zurück zu der familiären Atmosphäre, die in einem kleineren Betrieb herrscht und möchte diese auch zelebrieren mit unseren Kundinnen und Kunden - wir wollen ein verlässlicher, kompetenter und interessierter Partner sein.
Sie sind nicht nur vom Grosskonzern zum KMU, sondern auch vom B2C- zum B2B-Anbieter gewechselt. Wie nehmen Sie den Unterschied wahr?
Der Wechsel selbst scheint enorm zu sein, schaut man aber genauer hin, ist der Unterschied gar nicht so gross. Die Verträge sind im Grunde dieselben wie zuvor, abgesehen davon, dass ich jetzt links und nicht mehr rechts unterschreibe. Der Unterschied besteht darin, dass ich nun Bedürfnisse abhole, statt sie an den Tisch zu bringen. Das Verständnis für die Gesprächspartnerin und den Gesprächspartner könnte ein grosser Vorteil für beide Parteien sein. Da ich früher auf der anderen Seite des Tischs sass, weiss ich, was der Kundschaft wichtig sein könnte. Wenn Lieferanten mir früher Produkte verkaufen wollten, dachte ich mir häufig, dass ich den Theorieteil etwas kürzen oder die Präsentation etwas interessanter gestalten würde. Jetzt gibt es für mich keine Ausrede mehr, da nichts zu verändern und es selbst nicht besser zu machen.
"Gaming-Zubehör und Schulranzen sind beispielsweise zwei Bereiche, für die wir in der Schweiz noch zu wenig bekannt sind", Rocco Rossetti, Geschäftsführer, Hama Technics. (Source: Netzmedien)
Auf Ihrem Linkedin-Profil ist zu sehen, dass Sie vor dem Start bei Hama ein aktives Sabbatical absolvierten. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Ich habe mir eine Pause erlaubt. Durch meine frühere Tätigkeit bei der Swissair habe ich praktisch die ganze Welt gesehen, aber in der Schweiz gab es noch sehr viele Orte, die ich nicht oder nur ungenügend kannte. Darum habe ich mich in mein Marco-Polo-"Büsli" gesetzt und ging auf Entdeckungstour in der Schweiz. Ich nutzte die Zeit auch, um Sport zu treiben und mich durch Onlineseminare weiterzubilden. Früher spielte ich zum Beispiel leidenschaftlich Gitarre und zeichnete gerne. Beides Hobbys, die in den vergangenen Jahren zu kurz kamen und die ich gerne wieder aufnahm. Zusätzlich lernte ich im Selbststudium das Klavierspielen und dazu passend die Musik-Theorie. Auch mehr Zeit zu haben für Familie, Freunde, Kollegen und Kolleginnen stand im Vordergrund und hat mein Wertesystem bereichert. Ich zehre jetzt noch von meinen Erfahrungen während dieser Monate und pflege diese Dinge nun bewusster als früher.
Welche Veränderungen erwarten Hama-Kunden abgesehen von den vorhin erwähnten aufgepeppten Präsentationen?
Das schönste Kompliment, das man uns in Zukunft machen kann, wäre, dass sich an unserer professionellen Arbeitsweise im Grunde nur sehr wenig geändert hat, die Kundinnen und Kunden aber merken, dass Prozesse effizienter und transparenter sind, die Präsentationen erfrischend und spannend und die ganze Zusammenarbeit digitalisierter abläuft. Ich möchte Hama nicht komplett umkrempeln, sondern die DNA dieses Unternehmens hervorheben, Arbeiten, die wir bereits jetzt schon sehr gut machen, etwas strukturierter und noch besser tun und vor allem gemeinsam Erfolge feiern können mit unseren Geschäftspartnerinnen und -partnern. Dazu zählt unter anderem, die Servicequalität zu steigern, die Produktvielfalt zu zelebrieren, die Termintreue weiter zu verbessern, die Transparenz bei Sitzungen und Vertragsverhandlungen zu erhöhen und das Ganze effizient und mit Leidenschaft zum Wohle unserer Kundschaft umzusetzen.
Hama bietet auch Lösungen für Unternehmen an. Welche Strategie verfolgen Sie in diesem Bereich?
Der B2B-Bereich - wenn auch noch vergleichsweise klein - ist Teil unserer Wachstumsstrategie. Unsere Zielgruppe hier sind in erster Linie Start-ups und KMUs, die für ihre täglichen Arbeiten ausser ihrer Leidenschaft für das Unternehmen auch das passende Zubehör für ihre Arbeitsinstrumente brauchen. Für diese Unternehmen ist unser Preis-Leistungs-Verhältnis ideal, unsere Sortimentsbreite spannend und unsere Qualitätsansprüche wichtig für den täglichen Gebrauch. Wir haben zwar bisher immer wieder Anfragen von Geschäftskunden erhalten, sind aber noch zu wenig aktiv auf solche Unternehmen zugegangen. Das wird sich ändern. Wir werden eine Marketing- und Kommunikationsstrategie auf die Beine stellen und die Website überarbeiten, sodass schneller klar wird, was Hama - auch im Dienstleistungsbereich - alles leisten und anbieten kann.
Welche Bereiche möchten Sie ausserdem stärken?
Jedes Mal, wenn ich durch unseren Showroom schlendere, finde ich wieder eine Sortimentsgruppe, die ich gerne pushen möchte. Hama ist vor allem bekannt für Fotozubehör und Kabelmanagement in allen Bereichen - aber weniger für Wandhalterungen/Standfüsse für Fernseher, Smartwatches, Gaming und/oder kleine Produktgruppen wie Lesebrillen. Alle Sortimentsgruppen gleichzeitig bekannt zu machen, wäre aber nicht sinnvoll. Zudem gibt es Bereiche, wie Gaming, in denen die Konsumentinnen und Konsumenten sehr markenaffin sind. Im Gegensatz zu anderen Märkten, in denen Hamas Gaming-Marke uRage bereits die Nummer eins ist, ist die Marke in der Schweiz kaum bekannt. Sich hier zu etablieren, ist nicht einfach und ein längerfristiges Unterfangen. Damit wir uns nicht verzetteln, werden wir uns dieses Jahr auf drei Themen beschränken, die wir aktiv pushen wollen. An der Branchenmesse Home 22 haben wir die Bereiche "Smartphone Fotografie", "Work-Life-Balance" und "Stand-by" bereits vorstellen dürfen und werden diese bei unseren Kundenbesuchen weiter vertiefen und passende Produkte vorstellen. Manchmal muss man aber auch spontan sein. Ein Beispiel dazu: Aktenvernichter waren vor der Pandemie kein grosses Thema. Als aber die Mitarbeitenden ins Homeoffice mussten und wichtige Dokumente zuhause ausdruckten, brauchten sie auch einen Weg, diese sicher zu entsorgen. Wir haben das Thema im richtigen Moment aufgegriffen und im Markt implementiert. Das war keine strategische Entscheidung, sondern direktes Handeln im Sinne eines Kundenbedürfnisses.
Das klingt als wäre es bei so vielen Produkten nicht einfach, die richtige Balance zu finden.
Das Schöne ist, dass ich ein tolles und leidenschaftliches Team hinter mir habe. Gerade die langjährigen Mitarbeitenden holen mich immer wieder auf den Boden zurück, wenn ich zu viel auf einmal in Angriff nehmen möchte. Haben wir uns für eine Sortimentsgruppe entschieden, die wir stärken möchten, prüfen wir erst, welches Marktpotenzial sie hat. Hier sind unsere Aussendienstmitarbeitenden eine grosse Hilfe. Sie sind ständig in den Filialen unterwegs und bei unseren Kundinnen und Kunden vor Ort und wissen daher, was gerade gefragt ist.
Wo soll es kurz- bis mittelfristig mit Hama hingehen?
Hama soll im Schweizer Zubehörmarkt fest etabliert sein, für eine vertrauensvolle Partnerschaft stehen und für unsere Kundschaft überall verfügbar sein. Wir möchten auf die individuellen Bedürfnisse unserer Partner eingehen können und ein Sortiment zusammenstellen, das auf die spezifischen Bedürfnisse des Geschäfts abgestimmt ist. Damit versuchen wir, die Marke Hama und ihre zahlreichen weiteren Partnermarken, wie Xavax, uRage, Jabra, Happy Plugs etc., bekannter zu machen, damit unsere Kundschaft in der Schweiz täglich mit unseren Produkten in Berührung kommt. Dazu passen unsere professionellen Services/Dienstleistungsbereiche, die Lösungen für die täglichen Sorgen im Zusammenhang mit unserem Sortiment anbieten - kompetent und lösungsorientiert. Wir würden uns freuen, wenn wir als vertrauensvolle Marke gesehen werden, die sich dafür einsetzt, dass der Alltag einfacher bewältigt werden kann, bei Sorgen kompetent geholfen wird und unsere Kunden und Kundinnen viel Freude an und mit unseren Produkten haben.
Alle Heftinhalte aus der CEtoday-Ausgabe Nr. 04/2022 finden Sie im Onlinedossier.
persönlich
Rocco Rossetti (52) ist seit Januar 2022 Geschäftsführer von Hama Technics in Volketswil. In den 18 Jahren bei der Migros hat er sein theoretisches Wissen aus diversen Aus-/Weiterbildungen ein- und umsetzen können – darunter die letzten fünf Jahre als Spartenleiter von Melectronics. Seine Berufserfahrung im Gastgewerbe, Tourismus und Handel hat seine Liebe für Menschen und Kulturen geprägt, seine Sprachkenntnisse gefördert und seine Leidenschaft für die jeweiligen Produkte geweckt. Privat liebt er – gemeinsam mit seiner Partnerin – Sport über alles, gutes Essen, Erlebnisreisen und die kulturelle Vielfalt, die damit verbunden ist. (Source: Hama)