Wie sich die Coronakrise auf den Schweizer Handel auswirkt
Die Coronakrise hat den Schweizer Handel stark verändert. Einige Ladenbesitzer fürchten den Konkurs, andere kämpfen mit der Bewältigung ihrer plötzlich massiv angestiegenen Onlinebestellungen. In einem Webinar der Universität St. Gallen gaben einige grosse Händler Einblick in ihre momentane Situation und sagten, was es braucht, damit der Handel die Auswirkungen der Krise übersteht.
"Wer von uns hätte das Mitte Februar für möglich gehalten: ein Shutdown für die stationären Läden. Ein Onlinehändler, der seine Kunden bittet nicht mehr zu bestellen, weil er die Aufträge nicht bewältigen kann. Und Security-Mitarbeiter, die nicht berühmte Personen schützen sondern vor Supermärkten aufpassen." Mit diesen Worten eröffnete Thomas Rudolph, Leiter des Instituts für Retail Management an der Universität St. Gallen, das Webinar "Auswirkungen der Coronakrise auf den Schweizer Detailhandel". Rudolph stellte im Zuge des Webinars eine Studie der Universität St. Gallen vor. Für diese wurden insgesamt 119 Personen aus dem Handel befragt – 88 aus dem Non-Food- und 31 aus dem Food-Bereich.
Laut Rudolph ist die Situation für Händler aus dem Non-Food-Bereich um einiges kritischer, als für jene aus dem Food-Bereich. So fürchteten hier etwa 7 Prozent der Befragten, dass ihr Unternehmen aufgrund des Coronavirus Konkurs gehen könnte. Von den Händlern, die ihre Ware über den stationären Verkauf an die Konsumenten bringen, schätzen 81 Prozent die Lage als sehr kritisch ein. Bei den Onlinehändlern sind es 11 Prozent.
Viele Mitarbeitende fürchten um ihren Job
Von allen Befragten gaben 54 Prozent an, Kurzarbeit zu beantragen. Finanzielle Überbrückungshilfen werden von 22 Prozent angefordert und 23 Prozent wollen eine Mietzinsreduktion. Bedenklich sei von Seiten der Mitarbeitenden, dass sich 28 Prozent Sorgen um ihren Arbeitsplatz machten, sagte Rudolph. Bei der Umstellung zur Arbeit im Homeoffice hält sich das Verhältnis der Mitarbeitenden, die diese schätzen und jenen, die die Umstellung ablehnen etwa die Waage.
In der Studie wurden die Händler auch zu den wichtigsten Learnings aus der Krisensituation befragt. In der Grafik unten sehen Sie die Antworten:
(Source: Universität St. Gallen)
Bei Denner zeigen sich die Auswirkungen der Krise auf unterschiedlichen Ebenen, wie CEO Mario Irminger aufzeigte. So hätte Denner innerhalb nur eines Tages alle Filialen gemäss den Vorgaben des Bundes, was Sicherheit und Hygiene angehe, ausrüsten müssen. "Besonders gefordert sind momentan die Mitarbeiter in der Logistik und im Einkauf", sagte Irminger. Denn aufgrund der Schliessungen von Gastronomiebetrieben und durch das Wegfallen des Grenzeinkaufs sei die Nachfrage nach Lebensmitteln und Gütern des täglichen Gebrauchs gestiegen. Auch für die Mitarbeiter sei die Situation speziell. "Sie haben es mit veränderten Arbeitsbedingungen und verunsicherten Kunden zu tun." Ausserdem verzeichne Denner um einiges mehr Onlinebestellungen.
"So viel Onlineumsatz wie noch nie"
Diesen Trend spürt auch Franz Carl Weber, wie VR-Präsident und FDP-Nationalrat Marcel Dobler mitteilte."Wir machen momentan so viel Onlineumsatz wie noch nie." Das reiche jedoch nicht aus, um die Einnahmen zu kompensieren, die durch die Ladenschliessungen wegfielen. Franz Carl Weber spürte die Auswirkungen der Coronakrise bereits etwa 30 Tage vor dem Shutdown. Aufgrund der Angst der Konsumenten, wie Dobler sagte. "Die Umsätze werden vermutlich auch ein bis zwei Monate nach dem Shutdown noch nicht wieder zurück auf dem Normalniveau sein." Auf die Frage was es braucht, um den jetzt entstandenen Schaden in Grenzen zu halten, antwortete Dobler: "Viele – gerade kleine Firmen – werden ein grosses Problem haben, wenn sie keine Unterstützung erhalten."
Thomas Rudolph, Leiter des Instituts für Retail Management an der Universität St. Gallen (Source: Screenshot Weninar)
Um besagten Schaden in Grenzen zu halten, fährt Manor die Kosten massiv herunter. "Massiv heisst in diesem Fall so sehr wie noch nie zuvor gesehen", sagte Manor-CEO Jerome Gilg. Laut Gilg gilt bei Manor momentan ein absolutes Ausgabenverbot von 2500 Franken. Für Manor ginge es aber momentan nicht nur darum zu sparen, sondern auch die Hygiene und Sicherheitsmassnahmen für die Mitarbeitenden in den noch geöffneten 30 Supermärkten umzusetzen. "Wir gehen davon aus, dass wir bis Mai mit dieser aktuellen Situation leben müssen. Wenn es noch länger dauert, wird es langsam kritisch."
Kurzarbeit und Mietzinsentschädigung reichen nicht aus
Jürg Niklaus, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz, geht nicht davon aus, dass die Versorgung der Schweiz mit Lebensmitteln zum Problem wird. Geht es um die Massnahmen des Bundes zur Unterstützung von betroffenen Betrieben sagte Niklaus: "Wichtig ist, dass die staatlichen Massnahmen entsprechend weiterentwickelt und verhältnismässig angepasst werden, damit die Wirtschaft nicht ganz absackt sondern wieder in Gang kommt."
Anhand einer Beispielrechnung zeigte die Universität St. Gallen gegen Ende des Webinars auf, dass Unternehmen, auch wenn sie Kurzarbeit einführen und eine Mietzinsreduktion anfordern, trotzdem noch mit einem negativen Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) dastehen könnten. Erst als das fiktive Unternehmen aus dem Beispiel zusätzlich alle Marketingaktivitäten strich, machte es auf Ebitda-Level keine Verluste mehr.
Lesen Sie im Onlinedossier wo und wie Händler Hilfe finden und verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen der Coronakrise in der Schweiz.