Warum sich Steg vom klassischen Retailkonzept verabschiedet
Lorenz Weber hat die Geschäftsführung von PCP abgegeben. Neuer CEO ist Malte Polzin, der Ex-Chef von Brack und Deindeal. Im Interview spricht Polzin über das neue Ladenkonzept.
Sie waren Chef von Brack und Deindeal, bringen über 15 Jahre Erfahrung in der Schweizer IT- und E-Commerce-Branche mit. Wie haben Sie PCP/Steg vor und während der ersten 100 Tage als Geschäftsführer erlebt?
Malte Polzin: Wahrscheinlich so, wie man das Unternehmen auch sonst von aussen wahrnimmt - als Underdog. Die Grundwahrnehmung war, dass Steg früher sehr erfolgreich war, aber den Onlineanschluss verpasst hat und dann in gefühlt der Bedeutungslosigkeit verschwand. Aber in den vergangenen zwei Jahren hörte man immer wieder von spannenden Logistikkonzepten wie Cut-off-Time 21 Uhr und anderen Innovationen.
Und nun wurden Sie geholt, um Steg online auf Trab zu bringen?
Mein E-Commerce- und Handelsrucksack war sicher ein ausschlaggebender Punkt. Online ist für alle unsere Marken ein wichtiger Faktor. Insofern passt meine Herkunft sehr gut. Ich habe zwar noch keine stationären Filialen geführt, aber bei Carpathia einige Beratungsprojekte in diesem Umfeld gemacht. Es hat mich gereizt, die Filiale aus einer Onlineperspektive nach vorne zu bringen.
Wie wollen Sie Filialen aus Onlineperspektive nach vorne bringen?
Grundsätzlich: Filialen wird es immer geben, davon bin ich auch als überzeugter Onliner überzeugt. Aber mit welchem Konzept und Ansatz? Das ist eine grosse Herausforderung. Der Kunde nutzt im Omnichannel die Kanäle stationär und online nach seinem Gusto. Er entscheidet sich nicht mehr für einen Anbieter, sondern fürs Produkt und macht sich dann online schlau darüber. Er informiert sich über den Preispunkt, den Kanal, entscheidet, ob er eine Beratung oder Dienstleistung braucht und wählt erst dann den passenden Anbieter aus. Falls ihm das Produkt besonders wichtig ist, kommt es auf die Lage des Anbieters nicht mehr gross an. Das veränderte Konsum- und Informationsverhalten ist mir als Onliner viel mehr bewusst, als dem traditionellen Retailer, der Flyer verteilt und auf Kunden hofft. Und, für uns ist es z.B. selbstverständlich, jederzeit zu wissen, wo sich welches Produkt in welcher Menge befindet. Nahezu Realtime und nicht nur tagesaktuell, wenn überhaupt, wie bei vielen Retailern üblich.
Wie lautet Ihr Omnichannelkonzept?
Wir verstehen uns als Omnichannel-Fachhändler und richten alle unsere Prozesse und Leistungen danach aus. Es geht darum, den Kunden zu verstehen, was er an welchem Touchpoint braucht und ihm darauf genügend qualifizierte Wahlmöglichkeiten anzubieten. Wir müssen seine Schritte durch die Customer Journey lernen, die er ständig im Wechsel zwischen On- und Offline macht. Da verändert sich im Moment sehr viel und gestaltet sich je nach Zielgruppe anders.
Welche Bedeutung hat die Filiale für Steg?
Wir sehen die Filiale als physischen Touchpoint für den persönlichen Kontakt. Falls es zum Beispiel nach dem Onlinekauf zu einem Problem kommt, dann können wir es in der Filiale face-to-face lösen. Die Filiale ist ein Ort für den Produktverkauf, aber eben auch für umfassende Dienstleistungen. Unsere Läden sind auch Mini-Logistikhubs, die wir zur Auslieferung nutzen, in denen Kunden aber auch online bestellte Waren abholen können.
Wie ist der Anteil von stationär zu online?
Über genaue Anteile lassen wir uns nicht aus. Wir sind online sicher stärker als der Gesamtmarkt, was aber die Rolle der Filialen nicht schmälern soll..
Wollen Sie mehr oder weniger stationäre Filialen haben?
Darüber mache ich mir viele Gedanken. Ich sehe an einigen Standorten Potenzial für weitere Filialen, kann aber noch nicht sagen mit welchem Konzept oder Modell. Da gilt es, Experimente zu machen. Von unserem Pop-Up-Store im Schaffhauser Einkaufszentrum Herblinger Markt lernen wir sehr viel. Wir waren bisher in der Regel nicht an hochfrequentierten Lagen, aber ich kann mir auch anderes vorstellen.
Haben Sie das Ladenkonzept der 16 Filialen verändert?
Ich kam quasi mitten in den Veränderungsprozess hinein, der Anfang Jahr begann und Ende Oktober mit dem letzten Filialumbau abgeschlossen sein wird.
Wie sieht das Ladenkonzept aus?
Wir verabschiedeten uns vom klassischen Retailkonzept, das kein Mensch braucht. Wir sind nun deutlich lösungs- und präsentationsorientierter, haben statt Regalen mit Waren nun Tische mit ausgepackten und meistens in Betrieb befindlichen Produkten, anhand derer wir deren Anwendung bzw. deren Einsatz innerhalb von Lösungen zeigen. Das Ladendesign hat sich auch dadurch verändert, indem wir die Techniker aus den Hinterzimmern an die Front brachten. Wir wollen zeigen, dass bei uns Technik lebt, dass wir Dienstleistungen wie Reparaturen anbieten können. Vor Ort haben wir ausgewählte gute Gerätemodelle und bieten an den Beratungsstationen Services und Dienstleistungen über das Ladensortiment hinaus. Es kommt häufig vor, dass wir Kunden intensiv anhand eines ausgestellten Geräts beraten und dann merken, dass sie etwas anderes brauchen, das wir online bieten. Die Lieferung dauert einen Tag, aber dann bekommt der Kunde wirklich das richtige Produkt. Wir haben die richtigen Schritte eingeleitet und werden weiter experimentieren, welche ausgestellten Themen die Kunden ansprechen und wie wir Produkte zu Lösungen kombinieren könnten.
Haben Sie das Ladensortiment verringert?
Im Mittel über alle Filialen nicht. Wir haben immer noch rund 3000 Artikel pro Filiale für den Sofortverkauf und die Logistik zur Verfügung, obwohl man sie jetzt nicht mehr im Laden sieht.
Wie wollen Sie das Unternehmen ausrichten?
Es ist unser Asset, dass wir mit Steg das Omnichannel-Fachberatermodell fahren und mit Techmania und PC-Ostschweiz auch reine Pure Player haben. Beide Modelle haben ihre Existenzberechtigung im Markt, die unterschiedliche Mechanismen und Kunden bedienen. Diese Ausrichtung möchte ich schärfen und ausbauen.
Lorenz Weber sagte vor zwei Jahren im Interview auch, dass die 4 Marken ein Asset von Steg sind. Von einer Markenbereinigung wollte er nichts wissen. Warum haben PCP und Steg nun doch fusioniert?
In zwei Jahren tut sich gerade in unserer Branche sehr viel. Wir wollen im serviceorientierten Handelsmodell auf die Marke Steg setzen und wir werden die Erfahrungen aus dieser Marken-Fusion sicher auch zur Bewertung der Situation bei den Discountmarken nutzen. Das Ergebnis ist noch offen.
Kam es durch die Fusion zu Stellenabbau?
Nein, es kam zu keinen nennenswerten Veränderungen im Vergleich zur Übernahme vor fünf Jahren.
Was haben Sie als erstes im Unternehmen verändert?
Man hat hier schon vor mir viele richtige Dinge angepackt und ich habe nicht das Ziel, einfach möglichst viel zu verändern, sondern diese Themen aktuell voranzubringen. Mir geht es darum, das Team kennenzulernen und die Mechanismen zu verstehen. Aktuell konzentriere ich mich auf die Fokussierung und Umsetzung der wichtigsten Projekte. Eventuell gibt es noch Feinjustierungen, aber die grundlegenden Optimierungen wurden schon vor mir nach dem Zusammenschluss von PCP und Steg vor fünf Jahren vorgenommen. Wir sitzen in Schaffhausen und nicht in Luzern, es ist viel passiert.
Wieso hat sich PCP-Gründer Lorenz Weber von der CEO-Position zurückgezogen?
Er übergab mir die Verantwortung für den Schweizer Markt und verantwortet nun als Gruppenchef die Standorte in Deutschland, Österreich und der Slowakei. Er behält aber auch zentrale Themen in den Bereichen IT und Finanzen. So haben wir ein gutes Modell gefunden, wie wir zusammen unsere Energie und Kräfte einsetzen können.
Wie lange wird es pcp.ch noch geben?
Der Shop ist noch live, aber wir weisen die Kunden kontinuierlich darauf hin, dass es zum Wechsel kommt. Zuerst haben wir ohnehin noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen, etwa indem wir den Steg-Shop auf eine neue Plattform hieven. Wir wollen uns deshalb auf keinen Termin festnageln lassen, aber der Wechsel wird in den kommenden Monaten passieren.
Warum haben Sie sich für eine neue Shop-Plattform entschieden?
Es ist keine vollkommen neue Plattform, sondern die Weiterentwicklung des selbstentwickelten PCP-Shops. Auch das ERP ist eine Eigenentwicklung und wurde schon früh bei Steg erfolgreich eingeführt.
Was bietet die neue Plattform?
Wichtig ist uns, dass wir die Verzahnung von stationär und online besser zeigen und erlebbar machen. Ausserdem sind es auch banale Dinge wie die Umsetzung einer Responsive-Plattform. Am Ende soll der Kunde von einem besseren Einkaufserlebnis über alle Geräte und Kanäle profitieren.
Welches Ziel hat der Pop-Up-Store im Einkaufszentrum?
Das war auch vor meiner Zeit. Es gibt im Gegensatz zu anderen Filialen keine Verkaufsziele, weil es eher ein Marketing-Projekt für uns ist. Die Fläche ums Eck an guter Frequenzlage war temporär zu vernünftigen Konditionen verfügbar. Müssten wir damit Produktumsatz erzielen, wäre es schwierig. Aber es ist eine gute Möglichkeit, um die Leute in der Region wo PCP herkommt auf die Brand-Migration hinzuweisen.
Wie verläuft das Geschäftsjahr von PCP/Steg?
Wir äussern uns grundsätzlich nur auf Gruppenebene zu Zahlen, und dies nicht unter dem Jahr. Natürlich wollen wir immer wachsen. Aber weil wir in so vielen unterschiedlichen Bereichen tätig sind, gibt es manche Bereiche, die sehr gut laufen und andere weniger.
Welche Bereiche laufen gut und welche nicht?
Die Entwicklung bei den Dienstleistungen in den Filialen erfreut mich.
Welche Geschäftsentwicklung erwarten Sie bis zum Jahresende und für 2020?
Wir erwarten keine grossen Veränderungen zum Gesamtjahr. Da werden auch Black Friday & Co. nichts dran ändern. Wir beschäftigen uns gerade mit den Themen und Zielen für das nächste Jahr und wollen natürlich wachsen. Wir wollen eine gute Symbiose aus unseren Geschäftsfeldern mit Warenhandel und Dienstleistungen im Omnichannel hinbekommen, da sehen wir noch grosse Potenziale.
Wie verläuft das Assemblierer-Geschäft?
Jeder weiss, dass der PC-Markt nicht die Boom-Branche ist. Aber laut GfK wächst der Bereich Gaming, gerade der E-Sports-Bereich ist spannend. Wir werden weiter PCs bauen. Es ist kein grosses Segment, aber wir sehen auch an unserer Nischenmarke Beck PC, dass man erfolgreich sein kann, wenn man sich spezialisiert. Es ist nach wie vor ein spannendes Geschäft und hilft uns auch, unsere Kompetenz hoch zu halten, die wir bei Reparaturen und Beratungen einfliessen lassen.
Kommt für Sie eine Sortimentsverbreiterung in Frage, wie das auch Digitec Galaxus oder Brack gemacht haben?
Ich will es nicht grundsätzlich ausschliessen, aber sicher nicht in dem Rahmen wie Digitec Galaxus und Brack. Bei Steg wird es keine Schokoriegel neben dem Mainboard geben. Aber ich könnte mir vorstellen, dass etwa Techmania weitere Produkte anbietet.
Die Onlineshops von Steg und PCP sind nicht unter den führenden in der Schweizer CE-Branche. Wie wollen Sie wachsen und wo wollen Sie hin?
Die Erhebungen zielen jeweils auf jede einzelne Onlinemarke. Wenn wir die irgendwann zusammenlegen, könnte man es zumindest im Sinn einer Konsolidierung verdoppeln. Wir sehen uns nach Coop, Migros, MSH und dem einzigen grossen Nicht-Konzern Brack. Wir haben keine Ambitionen, Konzerne aus dem Weg zu räumen. Wir sind eine Alternative zu ihnen für Kunden und Hersteller und werden bei den Werbeschlachten von Coop und Migros und all ihren Untermarken nicht mitspielen.
Wie wollen Sie sich mit PC-Ostschweiz und Techmania im Vergleich zu Wish & Co. abheben?
Aktuell ist das ja noch kein Problem. Wir verkaufen zugelassene, verzollte und mit Garantie ausgestattete Markenprodukte zu einem günstigen Preis. Und bei uns geht jemand auf Deutsch ans Telefon. Aber, Wish und Aliexpress beeinflussen den Schweizer Markt schon jetzt massiv und in Zukunft wohl noch stärker als es vielleicht Amazon je tun wird. Sie verkaufen zwar noch ausserhalb von Markenprodukten, aber auch das No-Name-Kabel substituiert ein hochwertiges Markenkabel, also müssen wir uns damit beschäftigen. Wenn die irgendwann auch Markenprodukte anbieten, kann es ein heisser Ritt werden.
Warum beeinflussen Wish und Aliexpress den Schweizer Markt stärker als Amazon?
Vor allem Wish hat das Thema Mobile richtig gut im Griff. Das Unternehmen ist omnipräsent auf sozialen Medien als grösster Advertiser auf Facebook. Amazon ist in der Regel nicht der günstigste Anbieter, irgendwo muss ja noch die Marktplatzkommission hin. Deshalb macht mir Amazon auf der Preisschiene weniger Angst, insbesondere bei helvetisierten Geräten wie der PC mit einer Schweizer Tastatur. Wir können aus der Pure-Play- und der Discount-Brille gut reagieren, vor allem dann, wenn wir schnell liefern. Aber man wird Amazon in unserer Branche sicher noch stärker spüren und es wird alle betreffen.
Vor zwei Jahren sagte Lorenz Weber im Interview, Steg solle ein Fachhändler werden. Wie weit sind Sie mit diesem Vorhaben?
Wir sind gut dabei. Es gibt bei Steg (online) zwar immer noch Produkte/Zubehör, das vielleicht nicht zu unserer Fachhandelsphilosophie passt, aber man wird es nicht im Laden oder auf der Startseite sehen. Wir werden unseren Fachhandelsansatz aber nicht mit branchenfremden Produkten wie Lebensmitteln verwässern.
Welche Bedeutung messen Sie Aktionstagen wie Black Friday und Single’s Day für PCP/Steg und den Schweizer E-Commerce zu?
Gerade Black Friday und Cyber Monday haben sich zu grossen Happenings entwickelt, die ich aber auch kritisch betrachte. Auch wir sind mit lohnenswerten Aktionen dabei, aber nicht in der ersten Reihe. Wir verkaufen nicht auf einmal Tankgutscheine zum halben Preis, bis unsere Server überlasten. Am Ende des Tages wollen wir auch am Black Friday Geld verdienen. Es ist schwer zu verstehen, dass manch einer solche Tage als Werbekanal sieht und Geld verbrennt. Das ist nicht nachhaltig. Der Kunde kann am Black Friday massiv profitieren, muss aber auch aufpassen, dass er keinem Scheinangebot erliegt. Die gesamte Branche sollte darauf achten, dass die Angebote tatsächlich auch solche sind.