Die Relevanz des Fernsehens
In der Samsung Hall bei Zürich ist am 5. Juni der Screenforce Day 2018 über die Bühne gegangen. Der Veranstalter nannte die Gründe für das Weiterbestehen des Fernsehens und wie die Zukunft der Werbung aussieht.
Am 5. Juni 2018 ist in Dübendorf, in der Nähe Zürichs, der Screenforce Day vonstatten gegangen. Die von Veranstalter Screenforce entworfene Veranstaltung mit dem Leitsatz "The Magic of TV" bot informative Beiträge zur Zukunft des Fernsehens, Werbestrategien und Vergleiche zu anderen Medien. Die Redaktion nahm am Anlass der Allianz der TV-Vermarkter teil und erhielt in sechs Referaten und einer Podiumsdiskussion eine Einschätzung zum Bewegtbildmarkt.
Markenaufbau als Quintessenz
Les Binet, Head of Effectiveness bei adamandeveDDB aus London, zeigte mit seiner Studie die Diskrepanz zwischen kurzfristigem und langfristigem Werben auf. Die Bindung an die Marke sei im heutigen Werbemarkt prägender als der kurzfristige Kaufentscheid. Die emotionale Kopplung mit der Marke sei die Quintessenz, um den Kunden über längeren Zeitraum an sich zu binden. Generell gelte die 60-40-Regel, die aussage, dass 60 Prozent in den Aufbau einer Marke investiert werden sollte und die restlichen 40 Prozent in kurze Werbeschübe, sogenannte Spikes. Das Fernsehen sei dafür ein ideales Medium, da es zeitlos und emotional sei. Die Markenbildung sei der Schlüssel in der digitalen Welt und binde sowohl alte als auch neue Zielgruppen.
Die Fragmentierung der Medienlandschaft
Der von RTL bekannte Moderator Wolfram Kons führte durch den Tag und kündigte Lars Stegelmann als weiteren Sprecher an: Der Executive Vice President für Werbung von Nielsen Sports and Entertainment gab Auskunft über die Markt- und Medienforschung im Sport. Nicht überraschend ist Fussball, gefolgt von Tennis und Eishockey, die Sportart mit den höchsten Zuschauerzahlen in der Schweiz. Jedoch seien gerade in der Altersklasse der Millenials andere "Trendsportarten" relevant. Da ein Markt für diese Sportarten existiere, bildeten Anbieter wie Twitch mit Streams von E-Sport einen Gegenpol zum Fernsehen. Die Medienlandschaft sei im Gegensatz zu den vergangenen Jahrzehnten deutlich fragmentierter; jedes Medium habe seine spezifischen Vorzüge und es gelte diese zu erkennen und zu nutzen. Die deutsche Bausparkasse Wüstenrot sponsere beispielsweise E-Sport, um gezielt junge Zielgruppen mit Bausparverträgen zu bedienen.
Fussballtricks von Moe und Hansa. (Source: Netzmedien)
Die zwei Fussballer Moe und Hansa zeigten Fussballtricks, was beim Publikum gut ankam. Sie boten einen Kontrast zu den Präsentationen und einen Vorgeschmack auf die Weltmeisterschaft.
Kundenadressierte Werbung als Zukunft
Jürgen Seitz, Professor für Marketing, Medien und digitale Wirtschaft, referierte über "addressable TV", das adressierte Fernsehen. Der Professor der Hochschule der Medien in Stuttgart, erläuterte, dass die Zukunft der Fernsehwerbung im kundenindividuellen Werben anhand gesammelter Kundendaten liege. Die Vorteile seien nicht von der Hand zu weisen: Adressierte Werbung sei gezielter, relevanter und erreiche auch ein schwer zugängliches Publikum. Konträr dazu stünden die hohen Kosten und die noch geringe Reichweite. Smart-TV zusammen mit der HbbTV-Technologie ermögliche in den USA bereits in 64 Millionen Haushalten kundenadressierte Werbung zu schalten. Gerade in der Schweiz befände man sich jedoch, nicht zuletzt wegen der laxen Gesetzeslage für Distributoren, noch in einem "Entwicklungsland". In den Sternen stünde mit HbbTV-2.0 die sogenannte Cross-Device-Chance: Werbetreiber träumten davon, dass Nutzerdaten nicht nur über ein Medium gesammelt würden, sondern beispielsweise im Internet gesammelte Daten für die Fernsehwerbung genutzt werden könnten.
Die soziale Interaktion als Kernelement
Christian Kurz, Senior Vice President bei Viacom und zuständig für das Beobachten von Nutzerverhalten, war für den Anlass aus New York eingereist. Mit einem Experiment habe Viacom die Motivationsgründe für das Fernsehen ausmachen wollen. Die Versuchsgruppe habe fünf Tage auf den Fernseher verzichten müssen. Mit einer Befragung im Anschluss fanden die Forscher heraus, dass Menschen primär wegen der Unterhaltung, gefolgt von Entspannung und der sozialen Interaktion fernsehen würden. Die direkte soziale Interaktion im Haushalt gehe mit der Nutzung von anderen Medien oft verloren. Das Fernsehen sei deshalb sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft unersetzlich und alle Formen, das heisst sowohl lineares als auch Catch-Up-TV, seien gefragt.
Anschliessend präsentierten Irène Abt-Durrer und Samuel Fahrni die neueste Screenforce-Studie. Diese zeigte, dass Bewegtbild-Packages ohne Inhalte für Schweizer nicht attraktiv seien. Schweizer würden die Werbung im Fernsehen akzeptieren, sofern sie dafür Sendungen erhielten.
Screenforce-Studie: Verfügbarkeit von Fernsehsendern als wichtigster Faktor. (Source: Netzmedien)
Je grösser, desto besser
Karen Nielson-Field, von der Adelaide University in Australien, zeigte mit ihrer Cross-Device-Studie die Faktoren für erfolgreiche Werbeplatzierung auf. Mit Eye-tracking-Sensoren fand die Professorin für Medien in Australien anhand 2500 Personen heraus, dass die gerichtete Aufmerksamkeit auf eine Werbefläche mit den späteren Verkaufszahlen korreliere. Die prozentuale Grösse der Werbung im Vergleich zum Display und die Sichtbarkeit lasse Zuschauer die Werbung aktiver wahrnehmen. Da im Fernsehen die Werbefläche oftmals den ganzen Bildschirm fülle, kauften in dem Experiment Fernsehzuschauer oftmals mehr Waren ein, als wenn die Werbung bei Youtube oder Facebook gezeigt wurde. Auf mobilen Geräten potenziere sich die Wirkung der Werbung, da die Aufmerksamkeit auf einen kleineren Radius gerichtet sei. Die Studie bestätige, dass Erreichen nicht gleich Erreichen sei, denn Werbung werde oftmals lediglich passiv wahrgenommen.
Karen Nielson-Field: TV-Werbung zieht doppelt so viel Aufmerksamkeit an, wie Youtube (Source: Netzmedien).
Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion wurden einige Punkte ergänzt. Wichtig sei die Erkenntnis, dass die neue die alte Medienwelt nicht ersetze, sondern ergänze: Es brauche ein Medienorchester und keinen Solisten. Ausser Acht gelassen wurde bei den präsentierten Studien der Faktor Qualität, sowohl bei Sendungen als auch bei Werbungen. Deshalb gelte es in zukünftigen Studien, diesen Faktor zu untersuchen.
Die vierte Ausgabe des Screenforce Day war laut Veranstalter mit 320 Besuchern ein Erfolg.