Retrotrend

Nicht nur für Hipster: Analoge Fotografie im Trend

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Die analoge Fotografie erlebt, genau wie der Plattenspieler, ihr Revival in einer digitalen Welt. Ausser den beliebten Sofortbildkameras finden sich auch neue analoge Kameras auf dem Markt – und Fachhändler, die diese vertreiben.

Vermehrt fotografieren auch junge Leute mit einer analogen Kamera (Source: Netzmedien)
Vermehrt fotografieren auch junge Leute mit einer analogen Kamera (Source: Netzmedien)

Täglich werden rund 52 Millionen Bilder auf die Social-Media-Plattform Instagram hochgeladen, wie Staticbrain zu einer Instagram-Nutzeranalyse vom Juli 2017 schreibt. Doch die Instagram-Nutzer finden auf der Social-Media-Plattform nicht nur mit dem Smartphone oder der Digitalkamera fotografierte Bilder. Unter verschiedenen Hashtags finden sich zahlreiche Fotos, die mit analogen Kameras aufgenommen und danach digitalisiert wurden. Ein Trend zurück zum Analogen lässt sich übrigens auch bei der Musik feststellen: Immer häufiger stehen Platten und Plattenspieler in den Regalen der Geschäfte.

Ende der 1990er-Jahre, als die ersten Digitalkameras aufkamen, begann man zwischen analoger Fotografie mit Film und Digital zu unterscheiden. Digitalkameras wurden immer beliebter, während die Analogkameras allmählich vom Markt verdrängt wurden. 2010 war der Höhepunkt der Verkäufe von Digitalkameras, seither sinken auch hier die Verkaufszahlen drastisch. Grund dafür sind die immer besser entwickelten Smartphone-Kameras. Während 2010 weltweit noch 1'341'000 Kameras plus Objektive verkauft wurden, liegt die Prognose des Marktforschungsunternehmens GfK für 2018 bei nur noch 308'000 verkauften Geräten. Doch immer mehr Leute holen die analoge Kamera wieder aus ihrem Keller und fotografieren wie vor der Digitalfotografie-Ära mit Film.

Ars-Imago ist die Anlaufstelle für analoge Fotografie

Seit rund einem Jahr finden Analog-Liebhaber an der Badenerstrasse in Zürich alles, was ihr Herz begehrt. Ars-Imago existiert jedoch schon viel länger. Zuvor war der Spezialist für analoge Fotografie jedoch nur online anzutreffen. Das gestiegene Bedürfnis der Kunden nach einer Beratung habe dazu geführt, einen Laden zu eröffnen, sagt Samuel Trachsel. Er arbeitet seit einem Jahr im Fotofachgeschäft Ars-Imago. Bei einem Besuch im Ladengeschäft bedient er gerade eine Kundin, die Zubehör für ihre analoge Kamera kauft. «Viele Kunden kommen für die Beratung zu uns. Die meistgestellte Frage, die wir hören, ist, ob wir beim Filmkauf helfen können», sagt Trachsel. Filme verkaufen sich sehr gut. Davon hat Ars-Imago auch ein ganzes Gestell voll. "Für Farbfilme gibt es nur noch wenige Hersteller, die meisten Hersteller produzieren Schwarz-Weiss-Filme." Trachsel bemerkt aber: "Es kommen neue Filmhersteller wie Bergger und Ferrania auf den Markt und damit wächst die Auswahl."

Der Markt für analoge Kameras und Zubehör ist zwar ein Nischenmarkt, der laut Trachsel aber weitgehend stabil ist. Er erlebe die aktuelle Marktsituation sehr positiv. Momentan sei ein Aufwärtstrend vorhanden, auch viele Fotografen griffen wieder zur analogen Kamera. Immer mehr Leute würden ausserdem ihre Fotos wieder selbst entwickeln. Dazu gebe es ein hybrides Express-System, das sehr beliebt sei: Das analoge Foto werde bis zum Negativ selbst entwickelt und danach digitalisiert, statt einen Papierabzug zu machen.

Alle sechs Mitarbeiter bei Ars-Imago fotografieren analog. Trachsel begann damit vor rund zehn Jahren. Begeistert holt er seine entwickelten und zu Papier gebrachten Fotos hervor, die er sorgfältig in einer Box aufbewahrt. "In der Dunkelkammer zu sein und zu sehen, wie das eigene Bild sich entwickelt, ist wie Magie. Es ist ansteckend: Wenn man mal damit angefangen hat, kommt man nicht mehr davon los", sagt Trachsel.

Samuel Trachsel von Ars-Imago mit einer Rolleiflex (Source: Netzmedien)

"Sich zwischen analog und digital zu entscheiden, ist nicht nötig"

Analoge und digitale Fotografie sind keine Konkurrenten. "Sich zwischen den beiden zu entscheiden, ist nicht nötig. Es sind beides kreative Kunstformen, die koexistieren können", sagt Trachsel. Viele Leute verbinden analoge Fotografie mit einem hohen Aufwand und Kosten. Das Konzept von Ars-Imago ist es daher, Produkte anzubieten, die bedienungsfreundlich, günstig und schnell sind. Zur Entwicklung von Filmen lancierte der Fotofachhändler bereits eigene Produkte wie das Monobad oder die Labbox. Auch brachte das Unternehmen kürzlich ein Buch über die Grundlagen der analogen Fotografie heraus. "Ars-Imago will ein Ort sein, wo alles zusammenläuft und die Leute alle Bedürfnisse abdecken können, um sich analog auszudrücken", sagt Trachsel. Beim Fotofachhändler sollen die Kunden Lehrmittel, Film und auch die nötige Chemie finden, um Fotos zuhause zu entwickeln.

Auch Leica stellte fest, dass sich vermehrt junge Käufer, die im digitalen Zeitalter aufwuchsen, für analoge Fotografie interessieren. Denn bei der analogen Fotografie übe die Rückbesinnung auf das Bild, worum es bei der Fotografie gehe, eine grosse Faszination aus. Bei Ars-Imago stehen deshalb auch Kameras von Leica im Regal. Leica ist einer der letzten Kamerahersteller, der noch analoge Kameras im Sortiment hat, diese neu herstellt und somit den Kunden digitale sowie analoge Kameratechnologie anbietet. Das M-System von Leica besteht aus neun analogen Kameras. Auch die dazugehörigen Objektive und weiteres technisches Zubehör wie etwa Blitzgeräte oder Filter sind bei Leica erhältlich.

Die Nachfrage nach analogen Kameras sei beständig. Daher sei dieser Markt für Leica nach wie vor interessant. Leica stelle die analogen Kameras in handwerklicher Manufaktur her und könne deshalb auch kleine Mengen gut realisieren, sagt Trachsel.

"Bei Digitalkameras habe ich das Gefühl, als ob sie alle zwei bis drei Jahre ersetzt werden müssten"

Mit Leica-Kameras fotografiert auch Fabian Unternaehrer. Der Schweizer Fotograf ist ein Fan von analogen Kameras. Als er 15 Jahre alt war, startete Unternaehrer mit der Fotografie, mit 16 erhielt er seine erste eigene Snapshotkamera, eine Olympus Mju II mit einem 35mm-Fixobjektiv. Nun fotografiert er seit gut 20 Jahren mit analogen Kameras und ist nach wie vor begeistert. Digitalkameras nutze er aufgrund von Zeit- und Kostendruck bei Aufträgen. "Am liebsten würde ich aber alle Aufträge mit der analogen Kamera aufnehmen", sagt er. "Bei Digitalkameras habe ich je länger je mehr das Gefühl, dass ich mit einem Computer arbeite, der alle zwei bis drei Jahre ersetzt werden muss", sagt Unternaehrer. Er kauft seine Produkte meistens beim Fachhändler, so kann er die Kamera in die Hände nehmen und testen.

Vom Fachhändler wünscht sich Unternaehrer das Fördern und Bewerben der analogen Fotografie. "Es gibt beinahe keine Angebote mehr für neue analoge Kameras, was schade ist." Unternaehrers persönlicher Vorzug bleibt "nach ausgiebigem Arbeiten mit dem Digitalen" beim Analogen. "Konzentrieren Sie sich auf den Moment und leben Sie Ihr Leben, dann entstehen die besten Bilder! Klar ist dabei eine gewisse Kenntnis im Umgang mit einer Analogkamera von Vorteil", rät Unternaehrer.

Eine weniger anspruchsvolle Version der analogen Fotografie ist die Lomografie. 1982 wurde die erste Lomografie-Kamera in St. Petersburg, Russland, gebaut. Typisch für die Lomografie sind unscharfe Fotos und farbige Filter. Laut lomography.de war die Kamera in kommunistischen Ländern wie in Polen, Kuba und der Tschechoslowakei besonders beliebt. Durch Zufall entdeckten österreichische Studenten bei einer Reise durch Prag in den 1990er-Jahren die Lomografie-Kamera. Das Interesse an diesem speziellen Stil der Fotografie war geweckt, ein Jahr danach wurde die Lomographic Society International gegründet. Seither ging die Lomografie um die Welt und es gab etliche Ausstellungen. 2002 eröffnete der erste Lomografie-Shop in Wien.

"Lomografie ist keine anspruchsvolle Fotografie"

Die Schweizer Anlaufstelle für Lomography-Produkte ist der Fachhändler Light + Byte. "Mit der Marke Lomography hat Light + Byte das erste analoge Produkt ins Sortiment aufgenommen. Wir wollen damit das junge Publikum erreichen", sagt Martin Leuzinger, CEO von Light + Byte. "Ich persönlich war vor 25 Jahren, als die Lomografie-Bewegung mit der LC-A anfing, mit dabei und habe selbst auch stark lomografiert. In der Schweiz ist es in den letzten Jahren aber sehr ruhig um Lomografie geworden. So hat Lomography uns angefragt, ob wir die Distribution für die Schweiz übernehmen wollen." Als Grund für den Entscheid, Schweizer Lomography-Distributor zu sein, nennt Leuzinger, dass die analoge Fotografie ihr Revival erlebt, wenn auch als Nischenprodukt.

Mit der Distribution von Lomografie-Kameras begann Light + Byte im Juli 2017. Laut Leuzinger arbeite das Unternehmen seither daran, die Marke weiterzuentwickeln. Sein Fazit: Die Produkte kommen bei den Kunden sehr gut an. Es sei jedoch kein Produkt, bei dem generell eine Nachfrage bestehe. Oft würden Lomografie-Kameras spontan gekauft, als Geschenk etwa. «Für eine jüngere Generation ist Lomografie wie ein neues Produkt. Sie haben die Anfänge vor 25 Jahren nicht miterlebt. Zudem sind jüngere Personen, die mit Smartphones und Digitalkameras aufgewachsen sind, fasziniert von der analogen Welt", sagt Leuzinger. Der Nutzer müsse sich bei der Analogfotografie viel mehr Gedanken machen, da jedes einzelne Bild koste. Es habe auch einen gewissen Reiz, auf die Resultate aus dem Labor zu warten. "Lomografie ist keine anspruchsvolle Fotografie. Die Fotos sollen schräg, eigenwillig und unscharf sein. Die Hemmschwelle, mit Lomografie zu starten, sei viel tiefer. Jeder kann lomografieren", sagt Leuzinger.

Die Sofortbildkamera Instax von Fujifilm (Source: Netzmedien)

"Gegenpol zur virtuellen Welt"

Die einfachste Variante, Fotos zu Papier zu bringen, ist die altbekannte Sofortbildkamera. Fujifilm begann in den frühen 1980er-Jahren mit der Produktion von Sofortbildkameras. Laut Walter Weber, Leiter der Photo Division bei Fujifilm, erfolgte der Launch von Instax 1998. Bis heute verkaufte das japanische Unternehmen weltweit rund 25 Millionen Instax-Kameras.

"Das Bedürfnis, schnell und unkompliziert einzigartige Bilder in den Händen halten zu können, wird weiterhin bestehen bleiben. Instax ist auch ein Gegenpol zur virtuellen Welt, denn jedes Bild ist ein Unikat", sagt Weber. "Mit der Einführung der digitalen Fotografie bekam der Konsument die Wahlmöglichkeit, ob und wann er seine Bilder zu Papier bringen möchte. Diese Wahl wird genutzt. Es zählt zuletzt auch die Einfachheit und die Möglichkeit, Bilder jederzeit und sofort zur Hand zu haben", sagt Weber.

Die analoge Fotografie ist und bleibt auch in nächster Zeit ein Nischenmarkt. Dennoch gibt es, auch wenn nur im kleinen Bereich, Unternehmen, die sich diesem Thema immer noch oder wieder widmen. Sofortbildkameras und Lomografie erlebten in den letzten Jahren ein grosses Revival, das vor allem das junge Publikum anspricht. Denn hier geht es nicht um ein perfektes Foto, sondern darum, Spass an der Fotografie zu haben. Händler sollten sich darauf einstellen, dass weiterhin und vielleicht sogar eine zunehmende Nachfrage nach analogen Fotografieprodukten besteht. Wie bei Plattenspielern auch.

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