Dither: digitales Schmiermittel
Ohne zusätzliche Tricks und Kniffe funktioniert kaum ein technisches Grundprinzip. Diese Regel gilt auch für den Audiobereich. Ein Ausflug in meist unbekannte Terrains der Audiotechnik.
Die Tonspeicherung auf Magnetband hat die Aufnahmetechnik nachhaltig geprägt. Nach ihrer Einführung war die Schallplatte nur noch ein Distributionsmedium. Magnetismus ist die Grundlage der Bandaufzeichnungstechnik mit den damit einhergehenden physikalischen Eigenschaften. Die auf einem Kunststoffträger aufgebrachten ferromagnetischen Partikel richtet der Aufnahmetonkopf entsprechend der elektrischen Signalwellenform aus. Der Grad der Ausrichtung ist abhängig von der anliegenden Feldstärke. Dieser nichtlineare Vorgang folgt der Remanenzkurve, die sich aus der Hysterese ableitet. Die Neuausrichtung der Magnetpartikel erfolgt nicht vollständig linear zum angelegten Magnetfeld. Das Beharrungsvermögen des Ferromagnetikums erzeugt eine verzerrte Aufzeichnung des Musiksignals.
Wird dem am Aufnahmekopf anliegenden niederfrequenten Musiksignal ein sinusförmiger Hochfrequenz-Vormagnetisierungsstrom überlagert, lässt sich die Aufzeichnung des niederfrequenten Signals linearisieren. Wegen der Krümmung der Remanenzkurve in der Nähe des Ursprungs und des Nulldurchgangs wird die sinusförmige HF-Schwingung zunächst genauso verzerrt wie früher die Niederfrequenz. Die niederfrequente Schwingung wird dadurch aber nahezu linear aufgezeichnet. Erst mit diesem unspektakulären technischen Trick liess sich die Musikaufzeichnung auf Magnetband auf ein klanglich überzeugendes Niveau heben.
Die Schneidekennlinie – ohne die geht nichts
Die Schallplattenrille speichert die Informationen des rechten und linken Kanals in Seiten- und Tiefenschrift. Bei tiefen Frequenzen ist die Rillenauslenkung am grössten und nimmt zu höheren Frequenzen hin kontinuierlich ab, entsprechend den Schalldruckpegeln der Musik. Je grösser die Rillenauslenkung desto geringer die Spielzeit.
Zu hohen Frequenzen hin nimmt der Schallpegel so stark ab, dass der Schneidestichel kaum noch ausgelenkt wird. Darum werden beim Schneiden der Schallplatte die Bässe pegelmässig abgesenkt und die Höhen angehoben. Bei der Wiedergabe wird spiegelbildlich zur entsprechenden Schneidekennlinie korrigiert. Technisch wird dies mit Filterelementen erreicht. Im Weiteren wird der Bass unterhalb von etwa 90 Hz in Mono geschnitten, um zu verhindern, dass der Schneidestichel bei grossen Bassauslenkungen ausserhalb des Lack-Masters ins Negative schneidet.
Auch digitale Systeme lassen sich trickreich verbessern
Linearitätsprobleme und Verzerrungen begleiten die Audiotechnik auch in der Digitaltechnik. Sie sind aber komplett anders als bei einem analogen System, bei dem die Verzerrungen mit zunehmender Lautstärke des Signals stärker werden. Bei der Digitaltechnik sind die leisen und feinen Signalanteile das Problem. Ist ein Signal kleiner als das kleinstwertigste Bit, entstehen Rundungsfehler, die Quantisierungsverzerrungen. Diese Fehler sind extrem leise und betreffen das LSB (Bereich -90 bis -96 dB bei einem 16-Bit-System).
Quantisierungsverzerrungen werden oft auch als Quantisierungsrauschen bezeichnet, was genau genommen falsch ist. Quantisierungsverzerrungen stehen in Bezug zur Musik, leiten sich aus ihr ab. Rauschen ist nicht korreliert, hat also keinen Bezug zur Musik, die Rauschenergie ist zufällig verteilt.
1983, zu Beginn des digitalen Zeitalters, war man der Ansicht, diese Quantisierungsverzerrungen seien unhörbar, da extrem leise und durch die Musik verdeckt. Ein Irrtum. Die Quantisierungsverzerrungen sind zwar extrem leise, aber das Störspektrum korreliert mit der Musik und wird daher als störend empfunden. Zwar sind die Quantisierungsverzerrungen nicht direkt wahrnehmbar, sind aber einer der Gründe für den oft bemängelten klinischen Klang der Digitaltechnik.
Fügt man dem kleinstwertigsten Bit-Rauschen (Dither) hinzu, werden die Quantisierungsverzerrungen grösstenteils eliminiert. Dither ist digitales Rauschen, bestehend aus zufälligen Werten aus einem Bereich in der Grössenordnung einer Quantisierungsstufe. Es gibt verschiedene Dither-Typen mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Das minimale Rauschen, das für eine vollständige Linearisierung der Kennlinie hinzugefügt werden muss, ist über genau eine Stufenhöhe verteilt: LSB. Dadurch wird bei der Quantisierung zufällig auf- oder abgerundet, mit einer Wahrscheinlichkeit, die linear davon abhängt, auf welcher Höhe der Signalwert zwischen zwei Stufen steht. Der A/D-Wandler erzeugt so zusätzliche binäre 0/1-Wechsel, die ohne Dither nicht erzeugt würden. Mit Dither sind somit Auflösungen unterhalb des LSB möglich.
Zum Autor
Fritz Fabig ist passionierter Musikliebhaber mit Schwerpunkt in der Klassikepoche. Er absolvierte eine elektrotechnische Ausbildung in der Maschinenindustrie. Doch schon früh folgte ein Wechsel in die CE-Branche. Dort konnte er seine Passion für Musik mit dem Interesse an Technik verbinden. Zunächst war er zehn Jahre im Einzelhandel tätig, wechselte dann als Product Manager für High End Audio in die Audio-Distribution. Es folgten Weiterbildungen in Management und Marketing mit höherem Abschluss. Seit 2002 ist Fabig bei B&W Group Schweiz, einer Tochterfirma des englischen Lautsprecherherstellers Bowers & Wilkins, und amtet seit 2004 als Geschäftsführer.