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Epochale Umwälzungen in der Musikbranche

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Die Musikbranche hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Nun gibt es eine neue Speicherungsform für Musik: eine Kombination aus Digital und Vinyl.

Vinyl und Streaming könnten nicht gegensätzlicher sein: Das Prinzip der mechanischen Schallspeicherung aus dem 19. Jahrhundert, verbunden mit dem zwingenden Besitz eines physischen Trägers, steht dem besitzlosen Musikhören des 21. Jahrhunderts gegenüber. Ein Streaming-Abo ermöglicht den Zugriff auf Millionen Titel mit den unterschiedlichsten Geräten an dem Ort, wo sich der Abonnent gerade befindet. Die Qualität kann von grässlich datenreduziert bis hin zu subtilem HD-Audio reichen. Vinyl dagegen ist nicht nur ortsgebunden, sondern sogar raumgebunden – es sei denn, man leistet sich mehrere Anlagen und trägt die Platten im Haus umher. Die klangliche Überlegenheit der analogen Schallplatte ist mehr subjektive Präferenz und Mythos als Realität.

Wenn Streaming für zappenden Musikkonsum und mühseliges Suchen im Angebotsdschungel steht, ist Vinyl das Paradebeispiel für Entschleunigung in einer hyperaktiven Welt. Die Prozedur rund um die Platte mit der heiklen Handhabung und den sorgfältigen Pflegemassnahmen lässt nur ein behutsames, bewusstes Vorgehen und Hören zu. Erwartet der Streaming-Kunde Geräte, die zickenfrei funktionieren, mit konstanter Qualität von Anfang bis Ende, ist der Plattenliebhaber bereit, immer wieder an der fragilen Plattentechnik zu feilen und zu schrauben, bis sich die gewünschte Klangaura einstellt. Intensives Auseinandersetzen mit dem Objekt Vinyl steht Hintergrundberieselung mit automatisch generierten Playlisten gegenüber. Diese Charakterisierung mag zugespitzt sein, denn auch Zwischenstufen sind real.

 

Die Synthese: Digital-Vinyl

Aus diesen Gegensätzen scheint sich nun eine Synthese zu entwickeln: Vinyl auf CD oder als Download. Oder man digitalisiert seine LP-Sammlung gleich selbst und befreit somit den Vinyl-Klang von seiner Immobilität. Das Label Stockfisch begann 2013, seine digitalen Produktionen mit einer Vinyl Klangaura zu «veredeln». Dies wird mit einem analogen Zwischenschritt mittels einer Neumann-Platten­schneidmaschine realisiert. Auch Audio-Fachzeitschriften nehmen sich des Themas an und veröffentlichen digitale Produktionen als LP – was weder aussergewöhnlich noch spektakulär ist. Beachtenswert ist vielmehr die Umkehrung, indem man den Vinylklang auf einem digitalen Träger auf das Heftcover klebt oder als CD/SACD zu einem moderaten Preis veröffentlicht. Man attestiert dem digitalen Pendant, als Hochbit-Datei oder in profaner CD-Auflösung, den Klangcharakter des analogen Mediums überzeugend und intakt transportieren zu können! Clever: Vinylklang verbunden mit der Vielseitigkeit des digitalen Ökosystems.

Aber funktioniert das klanglich? Ja sagen die Redaktoren mehrerer Fachzeitschriften, ja sagt Tonmeister Günter Pauler. Ja sagt der Autor diese Blogbeitrags. Das digitale Format kann die Klangeigenschaften des analogen Mediums reproduzieren. Das analoge Medium kann die Klangeigenschaften des digitalen Mediums von Stufe 1 nicht erhalten. Nach dem Schneidevorgang klingt es nicht mehr gleich wie vorher.

Der analoge Produktionsschritt verändert das Signal auf der Zeit- und Pegelachse und beeinflusst die Signalwellenform. Dies ergibt den typischen Vinyl-Klang. Wie nun diese Veränderungen gehörmässig bewertet werden, hängt vom Standpunkt des Kritikers ab. Bei Klangbeschreibungen bedient man sich bipolarer Wortpaare (warm – kalt), denen je nach Bezugsachse positive oder negative Attribute zugeordnet werden:

Der Stockfisch-DMM-CD Prozess findet quasi unter Laborbedingungen statt, da sofort nach dem Schnitt wieder abgetastet wird. Qualitätssteigernd sind die höhere Drehzahl von 45 U/m und der Umstand, dass die Metallfolie nur innerhalb der beiden Nulldurchgänge des 12-Zoll-Tonarms genutzt wird. Dies hält den Tangensfehler in engeren Grenzen. Die Nachteile der gepressten Schallplatte sind so nicht vorhanden, da keine Verluste durch Galvanisierung, Pressung, Seiten- und Höhenschlag anfallen. Was auch auffällt: Vinyl hat deutlich mehr Mühe bei komplexen Klängen, besonders gegen Plattenende, da die Auflösung aufgrund des abnehmenden Rillenradius kontinuierlich sinkt. Was besonders bei Klassik-Aufnahmen hörbar ist.

 

Fazit

Der Audio-Software-Markt fragmentiert sich weiter. Die DMM-CD ist eine weitere interessante Facette. Die Streaming-Dominanz im Massenmarkt wird Tatsache werden. Physische Medien werden weiter Marktanteile verlieren und sich langfristig vor allem in der Nische der engagierten Musikliebhaber oder Traditionalisten halten. Das Vinyl-Segment dürfte bei den Jungen eher ein vorübergehender Modetrend sein. Nur die Kategorie der heute über 50-Jährigen, die wie der Autor mit der LP aufgewachsen sind und den Klang mit der Muttermilch mitbekommen haben, werden nachhaltige Vinyl-Käufer sein. Zumindest die, die den Sprung zu Audio 3.0 nicht machen wollen oder können. Downloads dürften auf moderatem Niveau verharren, denn der Sammler will besitzen, will seine Sammlung kuratieren.

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