Zwölf Tipps

Zu Besuch beim Master of Wine

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von David Klier

Was macht einen guten Wein aus? Wie erkennt man ihn? Ist ein Wein mit Schraubverschluss minderwertig? Welche Rolle spielt das Glas? Weintrinken ist kompliziert. Paul Liversedge bringt Licht ins Dunkel.

Die Prüfung für einen Master of Wine ist schwierig. Während dreier Tage muss er 36 Weine blind erkennen. Zwölf pro Tag. Die Prüfer fragen ihn nach Herkunftsort und Rebsorte der Weine. Der Prüfling muss sagen können, wie die Weine produziert wurden, welche Qualität sie haben. Nur wenn er das kann, darf er sich Master of Wine nennen.

Paul Liversedge ist einer von drei Master of Wine in der Schweiz. Die anderen beiden sind Robin Kick, Amerikanerin, und Philipp Schwander, Schweizer. Paul ist Brite. Seit zehn Jahren lebt er in der Schweiz, seit 2009 hat er sein eigenes Geschäft.

In seinem Onlineshop – er hat kein Ladengeschäft – bietet er vor allem Weine aus Übersee und Frankreich an. "Ich glaube, die besten Weine der Welt kommen aus Frankreich", sagt Paul. Frankreich sei ein Vorbild für viele Weinregionen in anderen Ländern. Das gelte auch für die Schweiz. "Für Pinot-Noir-Winzer in Graubünden oder Schaffhausen ist das Burgund der Gott", sagt der Master.

Pauls Herz schlägt aber für Australien und Neuseeland. Die Qualität der dortigen Weine sei in den letzten acht bis zehn Jahren förmlich explodiert. Ausserdem gebe es sehr viele kleine Winzer, nicht nur grosse Marken. "Australien hat einige der ältesten Rebberge der Welt", sagt Paul. "Ich liebe die Frucht neuseeländischer Weine, ihren einzigartigen Stil, ihre Frische."

Paul steht die Freude an Wein ins Gesicht geschrieben. Freude, die er teilen will. Seine Tipps für Weintrinker:

Tipp #1: Wie erkennt man einen guten Wein?

Ein guter Wein ist komplex. Er schmeckt nach mehr als nur einem Aroma. Je mehr in einem Wein passiert, desto besser ist er.

Bei einem Rotwein ist die Balance zwischen Tanninen, der Säure und der Frucht wichtig. Zu viel Alkohol kann diese Balance stören. Je länger der Geschmack eines Weines nach dem Schlucken anhält, desto besser ist der Wein. "Das Aroma eines wirklich guten Weins kann mehrere Minuten im Mund verbleiben."

Tipp #2: Welcher Verschluss ist der bessere?

"Es gibt keine richtige oder falsche Antwort darauf", sagt Paul. In Australien und Neuseeland verwenden 99 Prozent der Winzer Schraubverschlüsse. In Bordeaux verschliessen 99 Prozent der Winzer ihre Weine mit Korken.

Der Schraubverschluss ist perfekt für aromatische, fruchtige Weissweine, die nicht im Eichenfass gereift sind. Ein Wein aus dem Eichenfass verträgt sich mit Korken hingegen besser als mit Schraubverschluss. Der Korken lässt geringe Mengen Sauerstoff in die Flasche. Dadurch reift der Wein weiter. Das gilt auch für Rotwein. Ausnahme: Pinot Noir. "Pinot Noir funktioniert super mit Schraubverschluss", sagt der Master.

Tipp #3: Wie lagert man Wein richtig?

Wein darf nicht überhitzen. Ab 18 Grad altert ein Wein viel schneller, ab 20 Grad wird es brenzlig. Die beste Lagertemperatur liegt zwischen 12 und 16 Grad und sollte möglichst konstant sein. Wein verträgt ausserdem kein Sonnenlicht. Flaschen mit Schraubverschluss können stehen oder liegen. Weine mit Korken müssen liegend lagern. Nur so bleibt der Korken feucht.

Tipp #4: Aus welchem Glas trinkt man Wein?

Das Glas kann den Geschmack eines Weines beeinflussen. Paul findet aber, dass sich da viele Weintrinker in etwas hineinsteigern. Mit Ausnahme von Schaumwein trinkt er seine Weine alle aus dem gleichen Glas. "Wein ist schon kompliziert genug. Man sollte sich keine zusätzlichen Steine in den Weg legen", sagt der Master. Grundsätzlich gilt: Ein Glas mit einer grossen, weiten Öffnung ist gut für einen Burgunder. Die Aromen und die Frucht entfalten sich so besser als in einem kleinen Glas. Für Champagner empfiehlt sich wiederum ein hohes, schmales Glas. Das hält die Kohlensäure im Wein.

Tipp #5: Welchen Wein muss man atmen ­lassen?

Junge, günstige Weine muss man nicht lange vor dem Trinken öffnen. Alte, gereifte, teurere Weine, vor allem rote, sollten hingegen atmen können. Die Aromen eines guten Rotweins brauchen Zeit, um sich zu entfalten. Erst wenn Luft an den Wein kommt, gibt er seine Aromen preis. Das dauert eine Weile. Man kann den Prozess beschleunigen, indem man ihn in einen Dekanter füllt.

Tipp #6: Wie kann man geöffnete Flaschen lagern?

Paul lagert angebrochene Weine im Kühlschrank. Weissweine mit Schraubverschluss halten sich so zwischen vier und fünf Tagen. Wieder verschlossen mit dem Korken sollte man den Wein nach spätestens drei Tagen trinken. "Danach beginnen Sie, einen Unterschied zu merken", sagt Paul.

Eine Alternative sind Vakuumpumpen. Sie werden vor allem in Restaurants verwendet. Es gibt sie aber auch für Zuhause. Ein Wein könne so durchaus bis zu einem Monat trinkbar bleiben. "Aber er verliert seine Frische", sagt Paul.

Tipp #7: Was ist die beste Trinktemperatur?

Einen leichten Rotwein, etwa einen Beau­jolais oder einen leichten Pinot Noir, kann man auf 10 bis 12 Grad kühlen. Die grossen Roten, also einen Bordeaux oder Burgunder, sollte man bei 16 Grad beziehungsweise Raumtemperatur geniessen. Die ideale Trink­temperatur von Weissweinen liegt etwas tiefer. Zwischen 8 und 10 Grad.

Tipp #8: Was sind typische Weinfehler?

Der häufigste Fehler ist, wenn ein Wein Zapfen hat. Das ist oft, aber nicht immer leicht zu erkennen. Einfach ist es, wenn die Flasche respektive der Wein nach Korken riecht. Weniger offensichtlich ist der Fehler, wenn der Korken das Fruchtaroma zerstört hat. Die Frucht kommt dann nicht mehr aus dem Glas heraus, Geruch und Geschmack sind sehr flach. Für einen Laien sei diese Form des Korkfehlers kaum zu erkennen, sagt Paul.

Zu viele Sulfite im Wein können bei einigen wenigen sensiblen Weintrinkern Kopfschmerzen auslösen. Winzer versetzen ihre Weine – vor allem Weiss- und Süsswein – mit Schwefeloxid, um sie zu schützen. Das Schwefeloxid verhindert, dass Sauerstoff in den Wein eindringt und seinen Geschmack verfälscht. Hin und wieder fügen Winzer zu viel davon hinzu. "Wenn Sie so eine Flasche öffnen, riechen Sie faule Eier", sagt Paul. Meistens verschwindet der Geruch nach einer Weile. Es gibt Weine ohne Sulfite, sogenannte Naturweine. Die sind allerdings weniger lang lagerbar.

Tipp #9: Was ist der richtige Wein für ­Anfänger?

Weinneulinge sollten mit fruchtigen Weinen starten. Reben, die als aromatisch gelten und einen eindeutigen Geschmack haben. Das kann ein Viognier aus Australien, ein Riesling aus Deutschland oder ein Gewürztraminer aus dem Elsass sein. Mit je einem guten Chardonnay aus dem Stahltank und dem Eichenfass kann man leicht lernen, was einen eichengereiften Wein ausmacht. Eiche schmeckt nach Butter und riecht nach Vanille.

Für Rotwein empfiehlt Paul etwa, mit ­Cabernet Sauvignon zu beginnen. Die Rebe schmeckt unverwechselbar nach schwarzer Johannisbeere. Pinot Noir hingegen schmeckt of nach Himbeeren, Erdbeeren oder Kirschen. Zu Beginn müssen es nicht die teuersten Weine sein. Wichtig sei es, die Reben unterscheiden zu lernen. Danach könne man Cuvées, also Weine mit mehreren Rebsorten, und teurere Weine probieren.

Tipp #10: Welcher Wein eignet sich als Geschenk?

"Champagner", sagt Paul. "Champagner ist quasi gemacht, um ihn zu schenken." Die Hersteller verpackten ihren Champagner von Haus in schönen, anmutigen Boxen. "Abgesehen davon ist guter Champagner ein wundervolles Getränk", sagt Paul. "Es ist der beste Drink zum Feiern."

Ansonsten gilt: Wissen und verstehen, welchen Wein, welche Rebe der Beschenkte gern hat. Und das Budget spielt natürlich auch eine Rolle.

Tipp #11: Welchen Wein trinkt der Master?

"Zurzeit liebe ich guten Chardonnay", sagt Paul. Chardonnay sei zu Beginn der 2000er-­Jahre aus der Mode gekommen. Damals hatten viele Chardonnays zu viel Eiche und zu viel Alkohol. In den letzten vier bis fünf Jahren habe sich das geändert. Die Chardonnays seien wieder eleganter. Beim Rotwein kann sich der Master of Wine nicht festlegen. Er mag Weine mit Charakter. Weine, die von sehr alten Rebstöcken kommen. Von Rebstöcken, deren Wurzeln sehr tief graben müssen, bis sie Wasser finden. 10, 20 oder sogar 30 Meter tief. Das gebe den Trauben mehr Aroma und mehr Frische. Das könnte ein Wein von Barossa in Australien oder von Sonoma in Kalifornien sein.

Tipp #12: Woher kommen die besten Schweizer Weine?

Für Paul gibt es zwei, drei sehr aufregende Weinregionen in der Schweiz. "Ich mag Weisswein aus dem Wallis. Heida und Petit Arvine. Und Chasselas aus La Côte." Gute Rotweine sind für Paul Syrah aus dem Wallis und Pinot Noir von der Bündner Herrschaft. Einige Merlots aus dem Tessin findet der Master ebenfalls interessant.

Persönlich

Paul Liversedge ist Brite, Jahrgang 1966. Seine ersten Erfahrungen im Weinhandel sammelte er zwischen 1993 und 2000 bei der Tresher Group in England. Ab 1996 verantwortete er dort den Einakuf von Weinen aus Italien, Deutschland, Neuseeland, Portugal und aus einigen Regionen Frankreichs. Im August 2000 wechselte Liversedge zu bringmywine.com als Chefeinkäufer. Zwischen 2002 und 2005 arbeitet er als Chefeinkäufer und später als General Manager von Watson's Wine Cellar in Hongkong. 2005 kam Liversedge dann nach Zürich. Bis Anfang 2009 kümmerte er sich als Fine Wine Manager von Badaracco um den Einkauf. Im Juni 2009 schliesslich gründete es sein eigenes Unternehmen "Real Wines" in Zürich.

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