Smarte Verkabelung, Blitzeinschläge und die Stromnetze der Zukunft
Im Stadtsaal Wil haben wieder allerlei Repräsentanten der Schweizer Elektrobranche zum gemeinsamen Austausch und Vorträgelauschen zusammengefunden. Intelligentes Kabelverlegen, verheerende Blitzeinschläge und das Stromnetz der Zukunft waren nur einige der Themen am Elektroplaner-Tag 2023.
Am 13. Juni hat der Branchenverband für Elektro-, Energie- und Informationstechnik Electrosuisse zum Elektroplaner-Tag ins St. Gallische Wil eingeladen. In seiner nunmehr sechsten Ausgabe nahm sich der Event den Begriff "Planung" besonders zu Herzen und konzentrierte sich vor allem auf die Feinheiten vor der eigentlichen Installation von Elektrotechnik.
Schon vor Beginn des eigentlichen Referateprogramms war der Showfloor geöffnet. Allerlei Hersteller präsentierten hier ihre neuen Produkte und Lösungen. Um 9 Uhr startete Thomas Hausherr, Projektleiter bei Electrosuisse, das offizielle Tagesprogramm mit einer kurzen Begrüssung sowie einem Aufruf zur Weiterbildung als diplomierte Sicherheitsexpertin und Sicherheitsexperte von elektrischen Anlagen NDS HF, bevor er das Rednerpult dem ersten Gast übergab.
Rechtlich alles beim Rechten?
Der Eröffnungsvortrag kam von Rechtsanwalt Matthias Streiff. Er widmete sich dem Thema Bauwerkvertrag. Was gilt es zu beachten, welche Verbindlichkeiten sollten geschaffen werden, welche Konditionen müssen behandelt werden und nach welchen Regeln richtet man sich? Streiff warnte gleich zu Anfang, dass Werkverträge oft nur unzureichend ausformuliert seien oder oft sogar nur mündlich vereinbart würden - ein No-Go. Nichts sollte undefiniert gelassen werden, denn laut Streiff besteht die Hälfte der Arbeit eines Anwaltes beim Streitfall in der Definition des sogenannten "Leistungserfolgs". Streiff wog sorgfältig zwischen verschiedenen Normen und Vertragsrechten ab, jede mit ihren Vor-und Nachteilen. Ein vollständig durchgeplanter, schriftlicher Werkvertrag, der das Wer, Wie, Wie lange, Welche Qualität und Welcher Preis abklärt beuge späteren Probleme vor. "Ich Strom, du zahlen", scherzte Streiff.
Rechtsanwalt Matthias Streiff. (Source: Netzmedien)
Intelligentes Kabelplanen
Der Vortrag von Roger Kaspar, Geschäftsführer von Kaspar Belsen Elektroplanung und Installation, ging wiederum mehr auf die praktische Dimension des Planens ein - genauer auf die intelligente Kabelplanung. Früher sei es einfach gewesen, das Kabellegen zu planen und schnelle Änderungen vorzunehmen. Heute gebe es mehr Kabelwege und grössere Kabeldurchschnitte. "Nichts mehr mit Stabilo-Boss-Korrekturen", bemerkte er. E-Mobility und Photovoltaik-Anlagen verlangen genaueres Planen. Darum legte Kaspar dem Publikum das Vorausplanen mittels digitaler Tools ans Herz. Als Beispiel für ein solches Tool nannte er das bei der Frankfurter Firma Elektrasoft entwickelte Elaplan K. Das CAD-basierte Programm solle die digitale Planung der Kabelverlegung vereinfachen und gewisse Prozesse wie die Kabeldimensionierung automatisieren können. Automatisches Routing der Kabel nach diversen Kriterien soll möglich sein, eben so wie die automatische Generierung der Montageunterlagen. Kabel der gängigen Hersteller seien schon hinterlegt, weiter können einfach hinzugefügt werden. Kaspar selbst habe durch das Programm mehr Übersicht, weniger Standzeiten, weniger Verschnitt und einen einfacheren Unterhalt durch durchgängige Dokumentation.
Roger Kaspar, Geschäftsführer von Kaspar Belsen Elektroplanung und Installation. (Source: Netzmedien)
Frust bei Veränderung
Die Elektrobranche ist wie praktisch jede andere Branche Veränderungen unterworfen. Jedoch kommt man manchmal mit Veränderungen nicht gut klar. Wie man positiv mit Veränderungen im Leben umgehen kann, erklärte Petra Rüegg, Inhaberin von QPM Service Excellence. Man solle Veränderung als eine Herausforderung ansehen, die es anzunehmen gelte. Negative Emotionen sollten die Teilnehmenden laut Rüegg loslassen, denn sie halten einen nur auf. Sie rief dazu auf, die eigene Situation, Einstellung und das Verhalten zu ändern, denn an der Veränderung selbst könne man selten rütteln - am Umgang damit schon.
Petra Rüegg, Inhaberin von QPM Service Excellence. (Source: Netzmedien)
Feldplanung und Vorfertigung für ein reibungsloses Bauen
Als weiterer Fürsprecher für das sorgfältige Planen vor dem Bau präsentierte sich Denis Wary, Direktor der Selmoni Gruppe. Sein Referat drehte sich um den Einsatz der BIM-Konstruktionssoftware und der Vorfertigung von Komponenten unter anderem mittels 3-D-Druck. Die Selmoni Gruppe habe jene Verfahren bei einem "sehr Prestige-trächtigen Grossprojekt erfolgreich anwenden können" Gemeint war die Elektro-Installation im zweiten Roche-Turm in Basel sowie den angrenzenden Gebäuden 6 und 7. Laut Wary wurde zuerst die gesamte Elektroinstallation virtuell in BIM konstruiert, um mögliche Probleme im Voraus zu identifizieren. Jedes Element, ausser die Kabel selbst, sei dabei akribisch digital modelliert und eingebaut worden, bevor der Einbau in Echt stattfand. Massstäbe kamen nicht zum Einsatz, die Selmoni Gruppe habe beim Projekt gänzlich auf Laser-Messungen gesetzt. Im eigenen Neubau in Münchenstein wurde sogar ein Bohrroboter eingesetzt. Die gesamte Vorproduktion fand bei der Selmoni-Gruppe oder deren Partnern statt: Montagelösungen wurden per 3-D-Druck ausgearbeitet, Beleuchtungsschienen zusammengebaut, Trassen vorgefertigt und mit QR-Codes versehen, damit sie bei Beschädigung einfach ausgetauscht und nachbestellt werden können. Sogar eine Hololens kam für die Prüfung von Montagepositionen zum Einsatz. Wary zog den Schluss, dass das aufwendige Prozedere nicht günstiger sei, aber für einen viel flüssigeren Bauprozess sorge. Bauherren hätten weniger Frust, und der Umwelt käme das ganze auch zu Gute.
Denis Wary, Direktor der Selmoni Gruppe. (Source: Netzmedien)
Gleichstrom für die Energiewende
Wenn man der Publikumsumfrage am Ende des Tages glauben schenkt, dann war Max Ursins Präsentation zu DC-Microgrids für viele Teilnehmende das Highlight des Tages. Der CEO von Innovenergy postulierte, dass lokale Gleichstromnetze ein wichtiger Baustein für die erfolgreiche Energiewende sein werden und bestehende Netze entlasten könnten. Jedoch warf er zuerst einen Blick in die Vergangenheit mit einer kurzen Geschichte des Gleich- und Wechselstroms. Für ersteren gab es sogar 1889 ein kleines Wasserkraftwerk in Meiringen. Wechselstrom (AC) setzte sich jedoch global durch, da er sich besser skalieren liess - ein zentrales Kraftwerk machte mehr Sinn als viele kleinere dezentrale Kraftwerke direkt vor Ort.
Max Ursin, CEO von Innovenergy. (Source: Netzmedien)
Jedenfalls bis jetzt. Durch die Energiewende sollen Photovoltaik-Anlagen (PV) viel mehr Bedeutung für die Stromproduktion erhalten. Die bestehenden Wechselstromnetzwerke haben laut Ursin jedoch jetzt schon nicht genügend Kapazitäten, um den von den PV-Anlage produzierten Strom zu transportieren. Abhilfe würden die sogenannten DC-Microgrids schaffen - kleine, dezentrale Stromnetzwerke, die aus Photovoltaik-Anlagen gespeisst werden. Technisch würde man sich in einem ähnlichen Paradigma befinden wie anno 1889 - ein erneut dezentralisiertes, kleines Kraftwerk, das den lokalen Verbrauch deckt. Durch derartige Netzwerke lassen sich zum Beispiel E-Autos mit Einfachheit laden und man sei unabhängiger vom Stromanbieter. Die Netze seien zudem selbstregelnd und immun gegenüber Cyberattacken. Das Konzept wurde laut Ursin auch schon erprobt. So installierte Mercedes-Benz in seinem Werk in Sindelfingen ein derartiges Netzwerk, das aus PV-Anlagen gespeisst wurde. Angeblich konnte Mercedes-Benz somit rund 10 Prozent Energie einsparen.
Obacht: Überspannung
Der letzte Vortrag des Tages drehte sich um das Thema Überspannung und den Schutz dagegen. Andy Caplazi, Product Manager bei Phoenix Contact, wählte klare Worte: Es scheint als würde sich in der Schweiz niemand um den Blitzschutz kümmern. Caplazi illustrierte dies mit Bildern von verfallenen Blitzableitern, die er in der Öffentlichkeit erspäht hatte. Darauf folgte eine detaillierte Illustration, wie ein Überspannungs-Schutzkonzept für ein Gebäude erstellt wird. Generell solle man bei Überspannungs- und Blitzschutz nicht sparen, denn die Gerichte interessiere es nicht, dass der Bauherr 10'000 Franken bei der Einrichtung einer Blitzschutzanlage einsparen konnte, wenn Personenschäden entstehen. Auch beim Überspannungsschutz solle man sich nicht mit dem Minimum zufrieden geben - viele gebräuchliche Überspannungslösungen sind bloss in der Lage, Grossgeräte wie Boiler und Waschmaschinen zu schützen, aber nicht kleinere Geräte, wie Caplazi erklärte. Zudem gelte es die korrekte Installation solcher Schutzmassnahmen zu beachten - weniger als einen halben Meter von der Hauptleitung entfernt; je näher desto besser.
Andy Caplazi, Product Manager bei Phoenix Contact. (Source: Netzmedien)
Nach einer kurzen Publikumsumfrage zum Elektroplaner-Tag verabschiedete sich das Electrosuisse-Team und lud zu einem abschliessenden Apéro ein, um den Tag ausklingen zu lassen.
Auch vergangenes Jahr war Elektro Heute am Elektroplaner-Tag präsent. Dieser legte den Fokus auf eher atypische Themen wie Schall-, Erdbeben- und Brandsicherung. Den Bericht zum Event finden Sie hier.