Mithilfe von Röntgenlicht

Wie das Paul Scherrer Institut alte Musikaufnahmen rettet

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von Alexandra Hüsler und rja

Forschende am Paul Scherrer Institut retten mit einer neuen Methode alte Musikaufnahmen. Mithilfe von Röntgenlicht digitalisieren sie Aufnahmen auf Magnettonbändern "zerstörungsfrei und in höchster Qualität".

Sebastian Gliga entwickelt eine Methode, um mithilfe von Röntgenstrahlen Musikaufnahmen auf zerfallenden Magnetbändern zu digitalisieren. (Source: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)
Sebastian Gliga entwickelt eine Methode, um mithilfe von Röntgenstrahlen Musikaufnahmen auf zerfallenden Magnetbändern zu digitalisieren. (Source: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)

Historische Tonbänder sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Die chemische Zusammensetzung zerfällt nach und nach, bis die Aufnahme auf dem Band nicht mehr zu retten ist. 

Diesem Problem haben sich Forschende des Paul Scherrer Instituts (PSI) angenommen und entwickeln unter Physiker Sebastian Gliga eine Methode, um historische und beschädigte Tonträger zu digitalisieren. Wie das Institut schreibt, digitalisieren Gliga und sein Team auch Schätze aus dem Archiv des Montreux Jazz-Festivals, wie zum Beispiel eine seltene Aufnahme des "King of Blues", B.B. King.

Die Digitalisierung von alten Magnettonbändern sei eine ständige Herausforderung sowie ein Wettlauf gegen die Zeit, da die Tonbänder zerfallen und dann nicht mehr abspielbar seien, schreibt das PSI weiter. Mithilfe von Röntgenlicht der Synchrotron Lichtquelle Schweiz (SLS) könne man die Aufnahmen "zerstörungsfrei und in höchster Qualität" digitalisieren.

Die Forschenden arbeiten mit der Schweizer Nationalphonothek zusammen, um von deren tontechnischen Know-how profitieren zu können. Zudem produziert die Phonothek massgeschneiderte Referenzaufnahmen. Gliga und sein Team wollen die Methode in einer Partnerschaft mit dem Montreux Jazz Digital Project weiterentwickeln und testen.

"Tonbänder sind nicht für die Ewigkeit geschaffen", erklärt Gliga. "Das Material zerfällt mit der Zeit und lässt sich nicht mehr abspielen." Im Gegensatz zu dem aufwändigen Zusammensetzen und Restaurieren der Bänder könne man mit dem Röntgenlicht aus einem Synchrotron auch stark beschädigte Tonbandfragmente rekonstruieren, ohne sie auch nur zu berühren.

Funktionsweise der Magnettonbänder

Magnettonbänder speichern Informationen in winzigen magnetischen Teilchen, die, wie kleine Kompassnadeln, gegen Norden oder Süden ausgerichtet sind. Die magnetische Ausrichtung der Teilchen verändere sich, wenn man das Band bespiele, sodass die Audio-Information physisch gespeichert werde, schreibt das PSI weiter. Das Magnetfeld ändere sich ständig durch die Ausrichtung der Teilchen, deshalb sei im Lesekopf eine Spannung induziert, damit ein elektrisches Signal entsteht. Das Signal werde dann verstärkt und in ein akustisches Signal umgewandelt.

Gliga setzt mit seiner Methode nicht dieses Magnetfeld, sondern auf die einzelnen "Kompassnadeln", die das Feld erzeugen. "Die Magnetisierungszustände dieser winzigen Teilchen, deren Grössenordnung weniger als ein Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares beträgt, lassen sich mit Röntgenlicht der SLS fast individuell auslesen und in ein hochwertiges Audiosignal umwandeln", erklärt der Physiker. Mit dem Synchrotronlicht könne man fast jede einzelne magnetische Kompassnadel auf dem Tonband messen und damit "nie da gewesene Auflösung" erzielen. "Wir erreichen damit so etwas wie die bestmögliche Kopie", so Gliga.

"Was wir mit Röntgenstrahlen rekonstruieren, ist das reine Audiosignal, wie es auf dem Band gespeichert ist", erklärt Gliga weiter. Man arbeite deshalb mit Experten wie dem Basler Toningenieur und Komponisten Daniel Dettwiler zusammen. Dettwiler besitze eine Studer A80, eine Bandmaschine, mit der man Magnettonbänder aufnehmen und abspielen kann. Gliga und sein Team nutzen das analoge Gerät aus den Siebzigern, um die am Synchrotron extrahierten Töne mit den konventionell digitalisierten Stücken zu vergleichen.

Aktuell bleibt das Synchrotronlicht jedoch aus. Wie das PSI schreibt, herrscht bis Anfang 2025 "Dark Time" an der SLS. Die Forschungsanlage wird modernisiert. Damit solle die Brillanz des Synchrotronstrahls um einen Faktor 40 verbessert werden. "Unsere Methode wird vom Upgrade stark profitieren und noch effizientere Messungen ermöglichen", erklärt Gliga. 

 

Am Paul Scherrer Institut suchen Forschende auch nach neuen Materialien für die Computer-Chips von morgen. Mehr dazu lesen Sie hier.

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