One-to-Two

"MCDT wird noch bis Ende 2016 weitergeführt"

Uhr | Aktualisiert

Niklaus Kühne und Ernst Werder im womöglich letzten Interview für MCDT: Die SRG-Tochter wird auf­gelöst. Wie es mit DAB+ weitergeht, erklären die beiden im Gespräch.

(Quelle: Netzmedien)
(Quelle: Netzmedien)

Warum ist MCDT eine Tochtergesellschaft der SRG und nicht in sie integriert?

Niklaus Kühne: Der Bundesrat erkannte schon früh, dass UKW technologisch ausgereizt ist. Anfang 1999 erteilte er der SRG das Recht und die Pflicht, die DAB-Technologie in der Schweiz einzuführen und dabei eine Lokomotivfunktion zu übernehmen. Als sich abzeichnete, dass sich DAB als Nachfolger von UKW weltweit durchsetzen würde, intensivierte die SRG ihr Engagement und gründete 2011 die MCDT AG. Das Partnermodell von MCDT erlaubte es, die gesamte Radiobranche einzubinden und Digitalradio mit vereinten Kräften zu fördern.

War DAB die einzige neue mögliche Lösung?

Ernst Werder: DAB wurde eigentlich fürs Auto und nicht in erster Linie für den Heimgebrauch entwickelt. Als 2008 vom Bakom der Auftrag kam, seine Mittelwellensender Beromünster, Sottens und Monte Ceneri wegen zu hoher Strahlenbelastung abzuschalten, brauchte es eine Lösung für die Mittelwelle-Hörerschaft. Weil es keine freien UKW-Frequenzen mehr gab, wurde das DAB-Netz mit Hochdruck weiter aufgebaut.

Wie war die Situation, als Ende 2006 DAB+ kam?

Werder: Die SRG baute in Graubünden als eines der ersten Regionen weltweit ein DAB+-Netz auf und rüstete es schrittweise für den Empfang zuhause aus. Nach sorgfältiger Abwägung legte das Bakom dann den generellen Wechsel auf das effizientere DAB+ fest. Als 2009 die ersten Privatradios auf DAB+ auf Sendung gingen, hat die SRG ihre damals 18 Radioprogramme 2012 ebenfalls auf DAB+ umgestellt.

Gibt es bei alten DAB-Geräten die Möglichkeit, auf DAB+ umzustellen?

Werder: In der Regel sind sie nicht aufwärtskompatibel. Software-Upgrades existieren nur für einige wenige Modelle. Aber die meisten DAB-Geräte sind seit der Umstellung im Oktober 2012 sowieso verschwunden. Heute sind – Schätzungen zufolge – in der Schweiz nur noch 1 bis 2 Prozent in Betrieb. DAB-Empfänger können übrigens auch alle UKW-Programme empfangen.

Kühne: Die SRG lässt noch bis zum 15. November neun ihrer Radioprogramme parallel über DAB laufen. Dann muss sie die DAB-Verbreitung aufheben, damit Ressourcen für den DAB+-Ausbau freiwerden. Wir hoffen, dass der Handel uns auch bei dieser finalen Umstellung von DAB auf DAB+ unterstützt.

Was ist der Vorteil der DAB-Abschaltung?

Kühne: Am 15. November wird DAB zugunsten eines grös­seren DAB+-Angebots endgültig eingestellt. Der Platz, der dadurch frei wird, kann neu genutzt werden: es können etwa nach dem 15. November alle dritten Radioprogramme der SRG in der ganzen Schweiz empfangen werden. Ausserdem wird es eine bessere Netzabdeckung geben.

Was ist mit Autos, die DAB integriert haben?

Kühne: Für viele Marken und Modelle existieren bereits heute DAB+-Nachrüstungslösungen.

Werder: BMW, Ford, Seat und Toyota bieten jetzt schon in sämtlichen Neuwagen DAB+ als Standard an. Audi, VW und weitere Hersteller in diversen Modellen als Standard oder auf Wunsch gegen Aufpreis.

Was kommt als Nächstes? DAB++?

Kühne: Nein. Heute muss es zwar alle paar Jahre ein neues Mobiltelefon sein. Aber die Rundfunktechnologie ist längerfristig. Man muss auch viel Geld in ein Sendernetz investieren, da muss die Technologie auch nachhaltig sein. Es wäre niemand daran interessiert, schon wieder etwas Neues zu erfinden. DAB+ wird bleiben.

Die Vorteile von DAB+ sind unumstritten. Aber wieso startet mein DAB+-Gerät so langsam?

Kühne: Das liegt am Gerät; es gibt hier grosse Unterschiede. Gute Radios müssen aber nicht teuer sein. Es liegt in der Verantwortung der Fachhändler, ihre Kunden entsprechend zu beraten.

Werder: Genau, Digitalradios verfügen über eine Platine wie ein PC. Will ein Hersteller Geld sparen, hängt er möglichst viel an diese Platine – bis hin zur Beleuchtung des Displays. Dann wird das Gerät logischerweise langsamer.

Warum lässt sich UKW nicht mehr weiter ausbauen?

Kühne: Die Kapazität ist ausgeschöpft und die Technologie nicht mehr effizient. Mit DAB+ können wir auf einer Frequenz theoretisch bis zu 20 Sender übertragen. Wir haben aber höhere Qualitätsansprüche und platzieren deshalb nur 12 Programme auf einem Layer.

Werder: UKW ist uralt. Es braucht mehr Strom, mehr Unterhalt und gut dreimal so viele Antennen als DAB+. Wenn wir heute UKW abschalten würden, würden wir Energie in der Höhe des Verbrauchs der Stadt Lugano einsparen. DAB+ ist eine grüne Technologie.

Wie viele DAB+-Antennen sind heute installiert?

Kühne: Die SRG hat im Moment etwa 230 Sendestandorte, bei einer Abdeckung von 98 Prozent. Bei UKW sind es fast viermal so viele Sender, für 99 Prozent Abdeckung. Es gibt noch weisse DAB+-Flecken auf der Karte, und auch bei der Versorgung in Strassentunnels besteht noch Ausbaubedarf. Die SRG wird in den nächsten Jahren weiter in den
Netzausbau investieren, und bis Ende 2018 will das Astra alle Nationalstrassentunnel mit DAB+ ausrüsten. In bewohnten Gebieten wird eine nahezu hundertprozentige Abdeckung angestrebt.

Welche Widerstände erwarten Sie gegen die UKW-Abschaltung ab 2020?

Kühne: Wichtig ist, dass die Branche den Wechsel von UKW auf DAB+ mitträgt und aktiv unterstützt. UKW-Radios machen noch fast 40 Prozent aller verkauften Radios aus. Das darf nicht sein. Wir sind heute auch nicht mehr allein. Mittlerweile treiben viele andere Länder DAB+ voran. Es dauert aber immer lange, bis sich eine Technologie durchsetzt. Bei UKW waren es fast 30 Jahre.

Warum braucht es DAB+ angesichts des Erfolgs des Internetradios?

Kühne: Es braucht beides. Das Internet bietet eine individuelle Versorgung, da gibt es interessante Ansätze. DAB+ ist das Massenmedium, damit kann man Milliarden Menschen auf einmal mit Informationen versorgen. Ausserdem ist es leicht zugänglich, man braucht nur das Gerät und die Abdeckung.

 

Wie hoch ist die Sicherheit des DAB+-Netzes im Notfall?

Kühne: Bei den Anschlägen in Paris und Brüssel konnte man sehen, dass das Rundfunknetz das zuverlässigste ist, um Leute rasch und breit zu informieren. Mobilnetze brachen zusammen, weil sie nicht für eine solche plötzliche Last konzipiert sind.

Wann kommt das DAB+-iPhone?

Kühne: Für Apple können wir nicht sprechen, aber LG brachte gerade das erste Handy mit DAB+-Empfänger auf den Markt. Ich gehe davon aus, dass die Handyhersteller die Entwicklung von Hybridlösungen vorantreiben. Dabei sucht das Gerät stets die beste Empfangsmöglichkeit. Da wird es auch neue Radioformen über verschiedene Kanäle geben.

Wie geht es bei MCDT weiter?

Kühne: MCDT leistet seit 2011 viel Pionierarbeit für DAB+. Jetzt ist Digitalradio aber kein Nischenprodukt mehr, der Point of no Return ist überschritten. Als 2014 die Arbeitsgruppe "Digitale Migration" startete, war das ein starkes Zeichen. Die Branche setzte sich mit den politischen Instanzen zusammen, um DAB+ zum Erfolg zu führen. Der Bund stellt ab nächstem Jahr Fördergelder zur Verfügung: für die Infrastrukturkosten der Privatradios und für Promotionsmassnahmen. Das ist eine völlig neue Ausgangslage. Eine spezialisierte Agentur soll die Kommunikation zu DAB+ mindestens für die nächsten zwei Jahre übernehmen. Dieser Auftrag soll ausgeschrieben werden. MCDT braucht es danach in der heutigen Form nicht mehr. Die SRG-Tochter wird noch bis Ende des Jahres von mir weitergeführt.

Wie geht es ab 2017 mit Ihnen weiter?

Kühne: Ich werde die Aktivitäten innerhalb der SRG übernehmen, im Rahmen der nationalen Arbeitsgruppe "Digitale Migration".

Werder: Ich bin seit Mai pensioniert und habe ein Beratungsmandat bis Ende des Jahres bei MCDT. Danach werde ich selbstständig weiterarbeiten. Das muss aber nichts mehr mit DAB+ zu tun haben.

Was halten Sie von dem Entscheid, MCDT aufzulösen?

Werder: Das ist ein logischer Schritt. Bislang finanzierten ausschliesslich die SRG und die MCDT-Partner die Promotion von DAB+. Bald gibt es Technologieförderung für Privatradios. Das eröffnet neue Möglichkeiten. MCDT standen diese Gelder als SRG-Tochter nicht zur Verfügung.

Kühne: Die SRG wird den Lead für Kommunikation und Promotion nicht mehr haben, sondern die Agentur, gesteuert von der Arbeitsgruppe «Digitale Migration». Es gilt zu koordinieren, dass alle Player die gleiche Botschaft über das ganze Jahr verteilt verbreiten. Auch sind wir daran, für den neuen Auftritt eine einheitliche Marke zu definieren.

Was bedeutet es für den Fachhandel, wenn es MCDT nicht mehr geben wird?

Werder: Die Agentur, die den Auftrag bekommt, wird Digitalradio weiter vorantreiben. Heute liegt die digitale Nutzung bei etwa rund der Hälfte des Radiokonsums. Bis Ende 2019 sollen es mehr als zwei Drittel sein. Der Auftrag ist, Digitalradio noch bekannter zu machen und den Verkauf weiter zu steigern. Das eröffnet auch dem Fachhandel neue Chancen.

In welcher Form wird die Agentur mit dem Fachhandel zusammenarbeiten?

Kühne: Das ist offen. Es wäre falsch, bereits zu Beginn Vorgaben zu machen. Die Zusammenarbeit muss gemeinsam entwickelt werden.

Werder: Wir wissen noch nicht, ob der Fachhandel künftig genauso betreut wird, wie aktuell durch MCDT. Die Fördergelder sind zweckgebunden,deshalb sind auch rechtliche Fragen zu berücksichtigen.

Was läuft jetzt noch bei MCDT bis zum Jahresende?

Kühne: Wir geben nochmals Vollgas. Im August findet der Digitalradio-Workshop für den Handel im Rahmen des "Swiss Radio Day" statt. Ausserdem bieten wir Umrüstaktionen für Garagisten an. Wir erwarten einen nahtlosen Übergang am Ende des Jahres in die Digimig-Aktivitäten.

Werder: Derzeit läuft eine Fussballkampagne zu DAB+, etwas Ähnliches planen wir im Herbst während einer Promotour durch die ganze Schweiz. Ausserdem planen wir im August ein Schulprojekt mit Wettbewerb, bei dem Schüler DAB+-Radiogehäuse gestalten. Ein grosses Projekt ist natürlich der DAB+-Switch am 15. November. Unter dem Slogan "DAB+. Offen für mehr" macht die SRG ihr Netz fit für die digitale Radiozukunft.

Wie verlief der HD-Switch im Februar?

Kühne: Sehr positiv, wir erhielten auch vom Handel positive Rückmeldungen, dass wir gut kommuniziert hätten. Viele Fragen gingen ein. Die meisten Fragen konnten wir direkt beantworten. Wo nicht, hatten wir an den Fachhandel verwiesen, wo die Kunden kompetent beraten wurden. Nun hoffen wir, dass sich das am 15. November wiederholt.

Ihre Message an den Fachhandel?

Kühne: Wenn jemand eine gute Anlage kauft, darf es auf gar keinen Fall ein Gerät ohne DAB+ sein! So oder so sollten keine UKW-Radios mehr verkauft werden, da dies der Kundschaft gegenüber nicht fair ist.

Werder: Heute gibt es Digitalradios für alle Anwendungszwecke und UVPs, rund 600 Modelle von über 100 Marken. Und jedes DAB+-Radio verfügt auch über UKW-Empfang. Deshalb ist der UKW-Verkauf im Jahre 2016 Unsinn.

Zu den Personen Ernst Werder und Niklaus Kühne

Ernst Werder war beim Aufbau von Digitalradio in der Schweiz massgeblich beteiligt. Bis April war er Managing Partner der SRG-Tochter MCDT. Seit Mai arbeitet Werder als selbstständiger Berater und führt noch bis Ende 2016 bei MCDT die Promotionsaktivitäten zu Digital­radio im Mandats­ver­hältnis.

Niklaus Kühne begann 1993 beim damaligen Fernsehen SF und betreute etwa internationale Fernsehübertragungen, die Einführung von HDTV und die Digitalisierung der Fernsehverbreitung im Allgemeinen. Seit rund drei Jahren verantwortet er die Fachkommunikation der Direktion Operationen bei der SRG.

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